27.01.2003
W o r t p r o t o k o l l
über die
Bürgerversammlung
zum Thema
„Ambulante und
stationäre Altenpflege in Frankfurt am Main“
am Donnerstag,
dem 21. November 2002
(18.05 Uhr bis
20.25 Uhr)
V e r t e i l e r :
a) CDU, SPD, GRÜNE, FDP, FAG, REP, PDS, BFF, ÖkoLinX-ARL, E.L.
b) Büro der Stadtverordnetenversammlung ( 3x )
Das Büro der Stadtverordnetenversammlung erstellt gemäß § 50 Absatz 2 der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung über jede Plenarsitzung auf der Grundlage von Tonbandaufzeichnungen das Wortprotokoll. Entsprechend § 50 Absatz 2 der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung ist das Büro beauftragt, die einzelnen Reden zu redigieren. Vor Veröffentlichung des Wortprotokolls besteht Gelegenheit zur Prüfung und Berichtigung der Wortbeiträge, wobei der Sinn der Rede oder ihrer einzelnen Teile nicht geändert werden kann. Die Freigabe von Redebeiträgen beziehungsweise -auszügen vor der Gesamtveröffentlichung des Wortprotokolles ist gemäß § 50 Absatz 2 der Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung nicht möglich.
Stadtrat
Franz Frey:................................................................................................... 2
Christiane von Keutz:................................................................................................. 5
Michael Wolf:.............................................................................................................. 7
Walter Cŭrković-Paul:................................................................................................ 8
Dietrich Warmbier:..................................................................................................... 9
Ursula Schmidt:.......................................................................................................... 9
Haider Schellenberg:................................................................................................ 11
Herr Püllen:............................................................................................................... 11
Stadtverordneter Uwe Becker, CDU:....................................................................... 12
Matthias Berner:....................................................................................................... 13
Beate Glinski-Krause:.............................................................................................. 15
Nicole Eckert:........................................................................................................... 16
Karl-Heinz Maier:...................................................................................................... 17
Stadtverordnete Ursula Busch, SPD:...................................................................... 18
Pfarrer Karsten Petersen:........................................................................................ 19
Stadtverordneter Stefan Majer, GRÜNE:................................................................. 20
Jürgen Lilischkies:.................................................................................................... 22
Elmar Varnhagen:.................................................................................................... 22
Stadtverordneter Dr. Eberhard Dähne,
PDS:.......................................................... 23
Matthias Berner:....................................................................................................... 23
Paula Brand:............................................................................................................. 24
Dr. Christiane Kaiser:............................................................................................... 25
Beate Glinski-Krause:.............................................................................................. 25
Christiane von Keutz:............................................................................................... 26
Stadtverordneter Wolfgang Hübner,
BFF:............................................................... 27
Paul Wintzer:............................................................................................................ 28
Stadtrat Franz Frey:................................................................................................. 28
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Beginn der Sitzung: 18.05 Uhr
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Ich eröffne die zweite Bürgerinnen- und Bürgerversammlung in der laufenden Wahlperiode und darf Sie alle sehr herzlich begrüßen. Das Thema heute Abend lautet: „Ambulante und stationäre Altenpflege in Frankfurt am Main“. Die Einladung zu dieser Veranstaltung erfolgte unter dem 23. Oktober 2002 und wurde im Amtsblatt der Stadt Frankfurt am Main vom 05.11.2002, Nr. 45, veröffentlicht. Damit sind die Formalien, die die Gemeindeordnung vorschreibt, erfüllt. Presse, Funk und Fernsehen wurden am 23.10.2002 von der geplanten Bürgerinnen- und Bürgerversammlung in Kenntnis gesetzt und am 18.11.2002 per Fax nochmals auf die Veranstaltung hingewiesen. Es wurde besonders erwähnt, dass Einlasskarten zum Besuch der Veranstaltung notwendig sind.
Als unsere wichtigsten Gäste der Stadtverordnetenversammlung heute Abend, begrüße ich Sie, die Frankfurter Bürgerinnen und Bürger. Mit mir am Präsidiumstisch haben zu meiner Rechten die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Frau Stadtverordnete Weißbach, und zu meiner Linken der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Soziales, Seniorinnen und Senioren, Herr Stadtverordneter Baumgärtner, Platz genommen. Sehr herzlich begrüße ich den Dezernenten für Soziales und Jugend der Stadt Frankfurt am Main, Herrn Stadtrat Frey. Als weitere Gäste heiße ich die Sachverständigen herzlich willkommen, die neben Herrn Stadtrat Frey zur Beantwortung Ihrer Fragen an der Veranstaltung teilnehmen. Dies sind: Herr Staymann, der Leiter des Jugend- und Sozialamtes, Frau Dr. Stark, die Leiterin des Stadtgesundheitsamtes, Frau Glinski-Krause vom Frankfurter Forum für Altenpflege sowie Herr Berner vom Institut für Sozialarbeit. Darüber hinaus begrüße ich die von den Fraktionen entsandten Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung, die links auf den Magistratsbänken Platz genommen haben. Mein Gruß gilt den Journalistinnen und Journalisten.
Meine Damen und Herren, die heutige Veranstaltung ist keine Anhörung, sondern eine Bürgerversammlung. Sie, die Frankfurter Bürgerinnen und Bürger sowie Einwohnerinnen und Einwohner haben heute die Möglichkeit, Ihre Anliegen zu diesem Thema vorzutragen. Wir wollen Ihre Anliegen und Argumente aus erster Hand hören, um diese dann in unsere Wertungen und Entscheidungen mit einzubeziehen. Zu unserem heutigen Thema wird Herr Stadtrat Frey zunächst die Position des Magistrats vortragen. Im Anschluss daran erhalten Sie, die Bürgerinnen und Bürger sowie Einwohnerinnen und Einwohner unserer Stadt, die Gelegenheit, Ihre Stellungnahmen abzugeben oder Fragen zu stellen. Ich bitte Sie, Ihre Redezeit auf maximal fünf Minuten zu begrenzen, damit möglichst viele Beiträge heute Abend entgegengenommen werden können. Für Ihre Wortmeldungen verwenden Sie bitte den auf Ihren Tischen ausgelegten rosa Wortmeldezettel, den Sie bitte am Präsidiumstisch abgeben. Schreiben Sie bitte Ihren Namen deutlich, damit ich Ihnen das Wort erteilen kann.
Die gesamte Veranstaltung wird zur Dokumentation auf Tonband aufgezeichnet. Ich mache aus Rechtsgründen darauf aufmerksam. Alle Rednerinnen und Redner sprechen vom Rednerpult und von den Saalmikrofonen. Die Sachverständigen, der Dezernent und die Stadtverordneten auf den Magistratsbänken haben ein eigenes Mikrofon. Drücken Sie bitte vor dem Sprechen den Knopf. Gestatten Sie mir noch den Hinweis, dass im Saal nicht geraucht, gegessen und getrunken werden darf. Dafür steht Ihnen draußen die Cafeteria zur Verfügung.
Lassen Sie mich zwei Sätze zum Thema selbst sagen. Ich glaube und bin der Überzeugung, dass wir heute ein Thema ansprechen, das uns allen auf den Nägeln brennen müsste. Es wird immer wieder einmal darüber Klage geführt, dass die heutige Behandlung im ambulanten wie auch im stationären Bereich nicht den Anforderungen entspricht, die gestellt werden. Damit will ich es nicht pauschal bewerten, es wird nur immer wieder vorgetragen. Ich meine, heute sind die älteren Bürger die Generation, die nach dem Krieg die Aufbauleistung vollbracht hat. Wir sollten alles daran setzen, ihnen einen würdigen Lebensabend zu ermöglichen.
Wir müssen uns dieses Themas auch annehmen, weil dieses Thema in die Zukunft betrachtet, von Jahr zu Jahr aktueller und brennender wird. Deutschland, so weist die Statistik aus, ist neben Spanien, Portugal und Italien, das Land mit dem höchsten Alterungsprozess in Europa und weltweit. Erstmals in diesem Jahr haben wir mehr Bürgerinnen und Bürger über 65 Jahren, als unter 15 Jahren. Heute sind vier Prozent unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger 80 Jahre und älter. Wenn die Entwicklung - davon ist auszugehen - so fortgeschrieben wird, wie sich dies heute andeutet, haben wir im Jahr 2030 sieben Prozent und im Jahr 2050 12 Prozent Bürger über 80 Jahre. Jeder Dritte über 85 Jahre - dies weist die Statistik aus - ist heute ein Pflegefall. In den nächsten Jahren werden 6.000 zusätzliche Pflegekräfte gebraucht. Lassen Sie mich als letzte statistische Anmerkung sagen, dass unsere Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland alle zehn Jahre um ein Jahr altert. Wir werden langsam eine Gesellschaft der Älteren. Dies muss nicht schlecht sein, aber wir müssen Vorsorge betreiben, und dieser Vorsorge soll diese Veranstaltung heute gelten.
Sie alle - damit komme ich wieder zum Ablauf - haben wahrscheinlich morgen einen Arbeitstag vor sich. Wir wollen versuchen, diese Veranstaltung bis etwa 21.00 Uhr abzuschließen. Sollte die Diskussion allerdings hoch interessant und brennend sein, werden wir sie verlängern, bis die Mehrheit meint, wir sollten diese Diskussion beenden. Sie wird nicht um 21.00 Uhr oder 21.30 Uhr automatisch abgebrochen.
Nun kommen wir zur Sache. Herr Stadtrat Frey, Sie haben das Wort!
Herr Stadtverordnetenvorsteher,
meine Damen und Herren!
Ich will zu Beginn eine kleine Geschichte erzählen, die ich an anderer Stelle schon einmal erwähnt habe. Diese hat sich vor einigen Jahren im Institut für Sozialarbeit ereignet. Das Institut hatte ein neues Angebot für ältere Bürgerinnen und Bürger auf dem Programm stehen. Es gab ein erstes Treffen und dazu kamen etwa zwei Dutzend Frauen im Alter von etwa 60 bis 80 Jahren und ein Mann. Dann gab es eine Begrüßungsrunde. Nun wollte die Gruppenleiterin wissen, mit welchen Erwartungen die Teilnehmerinnen und der Teilnehmer gekommen seien. Dann haben sich einige Frauen geäußert und die Gruppenleiterin hat noch einmal direkt den Mann angesprochen und sich nach seinen Interessen erkundigt. Der hat sich geräuspert, in die Runde geschaut und gesagt: „Ich habe gedacht, ich könnte hier vielleicht eine ältere Dame kennen lernen, aber hier sind nur junge Dinger“. Er hat für diese Bemerkung schallendes Gelächter geerntet, aber er hatte eigentlich Recht. Denn der Mann war 97 Jahre alt und damit deutlich älter als alle anderen in dieser Runde.
Ich erzähle diese Anekdote, weil sie zeigt, wie vielfältig das Alter ist. Wir benutzen diesen Begriff in der Regel sehr pauschal für Menschen zwischen 65 und 100 Jahren, oder manchmal auch darüber. Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten, unterschiedlichen Bedürfnissen und auch mit unterschiedlichen Schwierigkeiten.
Dabei sind wir beim ersten Punkt angelangt, der altenpolitisch von großer Bedeutung ist. Wir brauchen ein Baukastensystem von Angeboten, das auch der Vielfalt des Alters und den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht wird. Auf der anderen Seite stehen wir - Herr Bührmann hat es mit einigen Zahlen belegt - vor der Herausforderung der demographischen Entwicklung und den Folgen, die sie nach sich zieht. Wir wissen, dass die Menschen in Deutschland künftig immer älter werden und dass ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung weiter wächst. Damit einhergehend steigt der Bedarf an Hilfeleistung, an Pflegeleistung und an Pflegekräften. Natürlich steigen auch die Versorgungskosten. Wir brauchen dringend intelligente Lösungen, wie wir in Zukunft die Altenpflege sicherstellen.
In Frankfurt am Main wohnen zurzeit gut 100.000 Menschen, die älter als 65 Jahre sind. Das entspricht einem Anteil an der Bevölkerung von 16,4 Prozent. Wie sich speziell in unserer Stadt die demografische Entwicklung weiter entwickeln wird, wissen wir nicht. Wir können nur grobe Linien sehen. In einer Großstadt wie Frankfurt am Main, mit einem Singleanteil von mehr als 50 Prozent, könnte es sich verstärkt auswirken, dass nur wenige oder geringe familiäre Bindungen bestehen. Wir haben gleichzeitig eine Vielzahl von Initiativen, die für ein alternatives Netzwerk sorgen können.
Ein anderer Aspekt ist, der speziell für Großstädte wie die unsere gilt: Bedingt durch das Angebot an Arbeitsplätzen könnte es so sein, dass wir in Zukunft weiterhin einen durchaus lebhaften Zuzug von jungen Menschen haben, und damit einhergehend der Anteil der Älteren an dem Gesamtanteil der Bevölkerung bei uns nicht so stark wächst, wie beispielsweise im Lahn-Dill-Kreis oder in anderen ländlicheren Gebieten. Deshalb ist für mich von zentraler Bedeutung, dass wir uns über die für Frankfurt maßgeblichen Trends Klarheit verschaffen.
Deshalb soll der nächste Sozialbericht unter dem Motto „Chancen und Risiken einer alternden Stadt“ stehen. Wir wollen dieses Vorhaben in den nächsten Wochen auf den Weg bringen. Die Datenbasis dieses Berichts wird ein wichtiger Bestandteil für die Fortschreibung der Altenhilfeplanung sein, mit der das Stadtparlament den Magistrat in diesem Jahr beauftragt hat. Es ist dabei auch vorgesehen, dass wir ältere Menschen und dass wir Menschen, die die Belange auf Grund ihres Berufes oder eines Amtes vertreten, in diese Planung mit einbeziehen. Wir sind dabei, die Basis für Zukunftsentscheidungen zu schaffen.
Was die aktuelle Pflegeversorgung in Frankfurt angeht, stellt sich das wie folgt dar: Wir haben insgesamt 4.068 Plätze in 34 Altenpflegeheimen von Trägern der freien Wohlfahrtsverbände oder von privaten Trägern. Das ist, wenn man das an den Richtlinien des Hessischen Sozialministeriums zur Förderung solcher Investitionen misst, rein rechnerisch eine Überkapazität von 1.500 Plätzen. Die Realität sieht natürlich etwas anders aus. Wir haben zurzeit in den Frankfurter Heimen 91 freie Plätze. Es kommt in der Regel nur dann zu Wartezeiten, wenn jemand ein besonderes Problem oder spezielle Wünsche hat. Zum Beispiel ist es nicht immer möglich, sofort einen geeigneten Platz für an Demenz erkrankten Menschen zu finden, bei denen die Gefahr des Weglaufens besteht. Oder es ist gerade kein Einzelzimmer in der Einrichtung frei, in der jemand gerne untergebracht werden möchte. Das wird sich auch in Zukunft nicht immer vermeiden lassen.
Es gibt auf dem Sektor der Altenpflegeheime durchaus Bewegung. In der Friedberger Landstraße hat gerade das Seniorenpflegezentrum „Am Wasserpark“ mit 174 Betten neu eröffnet. Weitere Neubauten sind in Planung. Gleichzeitig schließen ältere Einrichtungen, wie Ende dieses Jahres das Karl-Grimm-Haus der evangelischen Gesellschaft. Die 34 bestehenden Heime haben im Einzelnen eine Kapazität zwischen 30 und 200 Betten. Es gibt leider immer noch eine erhebliche Anzahl mit Doppel- oder manchmal sogar Dreibettzimmern. Wir wirken darauf hin, dass bei der Neuformulierung der Heim-Mindestbauverordnung nach Möglichkeit die Einzelzimmer zur Regel gemacht werden.
In sechs der Frankfurter Heimen wird die Möglichkeit der teilstationären Pflege angeboten, das bedeutet, pflegebedürftige Menschen können nur für nachts oder nur für tagsüber aufgenommen werden. Als Angebot haben wir in 25 Heimen die Möglichkeit der Kurzzeitpflege, wenn beispielsweise ein pflegender Angehöriger Urlaub machen möchte, oder selbst erkrankt ist.
Eine wichtige Rolle spielen die ambulanten Dienste. In Frankfurt werden sie von mehr als 130 freien Trägern oder privaten Unternehmen angeboten. Dazu gehören Pflegeleistungen, aber auch Hilfe im Haushalt. Als Stadt fördern wir Angebote wie den Hausnotruf, das Essen auf Rädern, Seniorenclubs und die Beratungs- und Vermittlungsstellen für ambulante und stationäre Dienste. Gerade dieses darf man nicht außer Acht lassen, wenn wir uns über ambulante und stationäre Altenpflege unterhalten. Ein gutes Angebot solcher Hilfsdienste ermöglicht erst vielen Menschen den Verbleib in den eigenen vier Wänden. Diese Hilfsdienste sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich Hausgemeinschaften und andere neue Wohnformen im Alter weiterentwickeln können.
Die Stadt Frankfurt am Main gibt jedes Jahr 97 Millionen Euro für ihre Seniorinnen und Senioren aus. Den Löwenanteil an diesem Betrag macht die Hilfe zur Pflege aus. Daneben gibt es natürlich auch andere Angebote wie Seniorenreisen oder Begegnungsstätten. Das meiste Geld fließt in die Hilfe zur Pflege, weil viele Menschen die Kosten für ihre Heimunterbringung oder für ambulante Hilfen, trotz Pflegeversicherung und Rentenbezug, nicht alleine aufbringen können. Je nach Pflegestufe kostet ein Platz in einem Frankfurter Pflegeheim zwischen 1.500 Euro und 3.500 Euro im Monat. Die Leistungen der Pflegeversicherung belaufen sich aber selbst in der höchsten Pflegestufe nur auf maximal 1.432 Euro. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der Anteil an Sozialhilfeempfängern in den Frankfurter Altenpflegeheimen im Schnitt bei 40 Prozent liegt. Wenn man das mit der Situation insgesamt vergleicht, beziehen von den etwas über 100.000 Menschen über 65 Jahre in Frankfurt am Main 4.350 Menschen Hilfe zum Lebensunterhalt, also ein Anteil von 4,3 Prozent. Der liegt noch unter dem Anteil der Sozialhilfeempfänger in der Gesamtbevölkerung, der bei 5,9 Prozent liegt.
Wir geben jedes Jahr für die stationäre Pflege 55 Millionen Euro aus. Weiterhin geben wir 28 Millionen für die ambulante Versorgung von 3.000 pflegebedürftigen Menschen aus. Sie sehen an diesen Zahlen, dass die Pflegeversicherung die Kommunen zwar entlastet hat, aber nicht in dem erhofften Ausmaß. Ein schwerwiegender Punkt für uns ist, dass die Pflegeversicherung es versäumt hat, die persönliche Betreuung, also über die reine Pflege- und Versorgungsleistung hinaus, zu berücksichtigen. Es ist das, was man an menschlichem Kontakt braucht, was wir alle wollen und uns sicher auch für uns in einer solchen Situation vorstellen. Inzwischen gibt es erste Anzeichen dafür, dass sich die Pflegeversicherung in dieser Hinsicht bewegt.
Wir haben als Stadt Frankfurt auf diesen Missstand reagiert. Das Stadtparlament hat zwei Sofortprogramme zur ambulanten und stationären Altenpflege beschlossen, einmal zwei Millionen und einmal 3,4 Millionen DM zusätzlich aufgelegt, um hierbei für Abhilfe zu sorgen. In 12 Projekten der ambulanten und in 30 stationären Projekten gehen haupt- aber auch ehrenamtliche Helfer gezielt auf den Bereich der zwischenmenschlichen Bedürfnisse von Pflegebedürftigen ein. In Gruppen, in denen dann Zeit für Gespräche oder auch für Streicheleinheiten ist - einfach Zeit für ein Stück Menschlichkeit. Das kann in dem Rahmen, den die Pflegeversicherung vorgibt, einfach nicht gewährleistet werden.
Die Ergebnisse nach dem ersten Jahr zeigen uns, dass schon kleine Veränderungen die Lebenssituation von älteren Menschen deutlich verbessern. So wurde mir beispielsweise von einem betreuten Heimbewohner berichtet, der permanent randaliert hat. Damit hat er die Mitarbeiter in Atem gehalten. Durch die regelmäßige Beziehungsarbeit im Rahmen eines solchen Projekts hat sich dann, das ist manchmal ganz banal, herausgestellt, dass seine Brillengläser einfach nicht mehr genügend Dioptrien besaßen. Daraufhin, mit einer richtigen Sehhilfe versorgt, hat seine Aggression deutlich nachgelassen und die Mitarbeiter konnten aufatmen.
Damit bin ich bei einem anderen Punkt. Wenn die Heimbewohner zufriedener und weniger aggressiv sind, dann verbessert das auch deutlich die Arbeitssituation der Pflegekräfte. Sie wissen alle, dass wir heute schon einen Mangel an Fachkräften in der Pflege haben. Es gibt eine Imagekampagne der Landesregierung, um für Nachwuchs auf diesem Feld zu werben, das ist sicher sinnvoll. Wir konzentrieren uns darauf, die Arbeitsbedingungen der Menschen zu verbessern, die im Pflegebereich tätig sind. Ich bin davon überzeugt, nur wenn es gelingt, die Arbeitszufriedenheit zu verbessern und zu erhöhen, nur dann können wir langfristig mehr Menschen für dieses Berufsfeld gewinnen. Bei den Sofortprogrammen für die stationäre Altenpflege ist deutlich geworden, dass sich oftmals die Mitarbeiter mangels Qualifizierung überfordert fühlen. Es braucht also dringend mehr Fortbildungen. In der Fachabteilung des Jugend- und Sozialdezernats wird an einem solchen Modell gearbeitet.
Auch das Sofortprogramm für die ambulante Altenpflege hat zwei interessante Erkenntnisse gebracht. Zum einen haben wir festgestellt, dass vielen Menschen mit Behinderungen manchmal durch kleine Umbauten ihrer Wohnungen geholfen werden kann. Dabei geht es um fehlende Haltegriffe im Bad, hohe Türschwellen oder andere bauliche Hemmnisse, die die Mobilität in der Wohnung behindern, oder aber weil das Treppensteigen in den dritten Stock so mühselig ist, trauen sich Menschen nicht mehr aus dem Haus. Teilweise kann der Umzug in ein Heim vermieden werden, wenn in dem Bereich der Wohnraumanpassung noch mehr geschieht. Ich glaube, dass wir in der Zukunft ein sehr wichtiges Aufgabenfeld haben.
Zum anderen hat sich einmal mehr gezeigt, wie wertvoll die Unterstützung durch Ehrenamtliche ist. Ältere Menschen erleben den Kontakt mit diesen Helfern als eine wichtige Bereicherung ihrer Alltagsbeziehungen. Gerade in einer Stadt wie Frankfurt, mit einem hohen Singleanteil, hat ehrenamtliches Engagement eine wichtige Bedeutung. Es kann vielleicht nicht immer im Sinne der klassischen Nachbarschaftshilfe familiäre Strukturen ersetzen, aber doch deutlich ergänzen. Zurzeit kümmern sich in Frankfurt rund 5.000 überwiegend ältere Menschen ehrenamtlich um ihre Mitbürger. Sie werden dabei durch freie Träger unterstützt, vor allem durch das Institut für Sozialarbeit; Herr Berner, der Leiter, sitzt hier auf dem Podium. Solche ehrenamtliche Hilfe kann professionelle Pflegedienste nicht ersetzen, aber sie kann gerade im zwischenmenschlichen Bereich einen Beitrag leisten. Wichtig ist es, dass wir solche ehrenamtlichen Helfer unterstützen, damit sie sich nicht überfordert und ausgebrannt fühlen. Wir sind im Moment dabei, Mittel für die Fortführung dieser beiden Sofortprogramme vom Land im Rahmen eines Modellvorhabens zu beantragen.
Ein Schwerpunkt soll die bessere Abstimmung von ambulanten und stationären Angeboten sein. Hier sehen die Fachleute noch entscheidende Entwicklungsmöglichkeiten. Ich will aber auch nicht versäumen, vor einer reinen Problematisierung des Alters zu warnen. Wir haben im Bereich der Pflege noch viel zu tun und müssen uns auf die Veränderungen einstellen. Ich glaube aber, dass wir auch gut beraten sind, das Bild des Alterns nicht nur damit zu verbinden, sondern wir müssen auch die Möglichkeiten und Chancen deutlich machen. Man muss immer bedenken, von den rund 100.000 Seniorinnen und Senioren in unserer Stadt leben 4.000 - also vier Prozent - in Heimen. Und auch der 97-jährige Mann, den ich eingangs erwähnte, wohnte damals noch in den eigenen vier Wänden. Er hatte von der Veranstaltung gehört oder in der Zeitung gelesen, und nachdem seine dritte Frau gestorben war, suchte er wieder Geselligkeit. Eigentlich eine hoffnungsvolle Geschichte. Ich will damit keinesfalls von der Verantwortung ablenken. Wir haben als Stadt und als Stadtgesellschaft insgesamt die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass den Menschen, die hier leben, auch im Alter mit dem nötigen Respekt begegnet wird. Dass wir dafür sorgen, dass sie so leben können und versorgt werden, wie wir uns das für uns selbst auch vorstellen.
Die Aufgaben für die Zukunft sind aus meiner Sicht drei Dinge. Erster Punkt: Wir müssen für unsere Altenhilfeplanung eine Datenbasis schaffen. Zum Zweiten müssen wir unser Netz an Hilfen auch in finanziell schwierigen Zeiten weiter verbessern. Ich glaube, dass dies ein Bereich ist, bei dem es angesichts der demografischen Entwicklung illusionär wäre zu glauben, man könnte dort einsparen. Im Gegenteil, man muss sich darauf einstellen, dass wir dort bestimmte Leistungen bereitstellen. Wir müssen dieses Netz weiter verbessern und besser aufeinander abstimmen. Dabei müssen wir die Ehrenamtlichen stützen und stärker einbinden. Als dritten Punkt müssen wir die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte deutlich verbessern. Nur dann werden wir auch langfristig ausreichend Pflegekräfte gewinnen.
Ich danke für ihre Aufmerksamkeit!
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Vielen Dank, Herr Stadtrat für Ihre Ausführungen! Wir kommen nun zu den ersten Wortmeldungen. Als erste Rednerin hat sich Frau Christiane von Keutz gemeldet. Frau von Keutz, Sie haben das Wort.
Herr Frey, ich bin hoch erfreut über das, was Sie gesagt haben. Eigentlich müsste ich nichts mehr sagen, aber ich tue das trotzdem. Da ich in der freien Rede im Römer nicht so geübt bin, habe ich mir ein paar Notizen gemacht. Ich möchte Ihnen gerne meine Lieblingsidee und Lieblingsvision vortragen, die meiner Meinung nach noch nicht genügend im öffentlichen Bewusstsein verankert ist.
Ich möchte mich zuerst vorstellen. Mein Name ist Christiane von Keutz und mein Bezug zu dem heutigen Thema sind die Erfahrungen mit meiner schwer demenzkranken Mutter, die im Alter von 96 Jahren im vergangenen Jahr in einem Frankfurter Pflegeheim verstorben ist.
Zunächst möchte ich zum Einstieg ein paar Worte zu der Imagekampagne für den Altenpflegeberuf sagen. Ich glaube, aber das haben Sie auch schon gesagt oder angedeutet, Herr Frey, dass diese Kampagne das Pferd von der falschen Seite her aufzäumt. Denn selbst wenn es gelingt, junge idealistische Menschen in die Ausbildung zu locken, ist zu befürchten, dass sie ebenfalls zu Berufsabbrechern werden, wie viele andere, da sich an den realen Arbeitsbedingungen in den Heimen nichts verändert hat.
Wie verändert man die Arbeitsbedingungen im Altenpflegeberuf? Jetzt kommt meine Lieblingsidee beziehungsweise Vision, die sich mit der Ihren deckt. Man verändert sie, indem man die Lebensbedingungen der Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen leben, verändert, das heißt, sie wirklich dramatisch verbessert. Damit meine ich nicht nur die Bedingungen der Pflege im engen Sinne, so wie sie von der Pflegeversicherung definiert, zerstückelt und bürokratisiert werden, sondern die Tatsache, dass in den herkömmlichen Heimstrukturen, insbesondere in sehr großen Anstalten, kein soziales Leben und kein gelebter Alltag stattfinden.
Alter und Gebrechlichkeit bedeutet meist auch den Verlust der Selbstständigkeit, wenn man auf Hilfe angewiesen ist. Grundgesetzlich ist geregelt, dass jeder Mensch ein Recht auf Selbstbestimmung hat. Selbstbestimmung kann so einfache Dinge bedeuten, dass ich zum Beispiel bestimmen kann, wann ich die Mahlzeiten einnehme, was ich esse, wann ich ins Bett gehe, wann ich wieder aufstehe, wie oft und wann ich zur Toilette gehe. Die Teilnahme am Alltagsleben, Alltagsaktivitäten, lebenssinnstiftende Aufgaben und Beschäftigungen gehören dazu.
Sie werden sich vielleicht fragen, wie man so etwas für bettlägerige, sehr hilfsbedürftige alte Menschen herstellen kann. Ich denke mit anderen Strukturen, Kleinräumigkeit in allen Bereichen, mit Fantasie und Kreativität ist dies durchaus möglich. Die Vision heißt, schlagwortartig ausgedrückt, von der Anstalt zum Haushalt. Ich glaube, dieser Systemwechsel ist neben der Verbesserung der Pflege im engeren Sinne die vorrangige Aufgabe zu Beginn des 21. Jahrhunderts, um menschliches Leben auch im Alter im Sinne des Grundgesetzes zu gestalten. Vielleicht noch einmal zur Erinnerung. Ich habe einmal nachgeschaut, was im Grundgesetz steht. Artikel 1 Absatz 1: „Die Menschenwürde ist unantastbar und muss von Staatswegen geschützt werden.“ In Artikel 2 Absatz 1 geht es um die Freiheitsrechte, dass jeder Mensch das Recht auf Entfaltung der Persönlichkeit hat und in Artikel 2 Absatz 2 geht es um das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Hier geht es um die Pflege im engeren Sinne, die gelegentlich, wie wir alle aus erschütternden Fällen wissen, die an die Öffentlichkeit dringen, an Körperverletzung grenzt. Ich habe noch ein bisschen weiter gelesen und bin auf den Artikel 18 GG gestoßen, und dort stand etwas über die Verwirkung der Grundrechte. Darin stand alles Mögliche, aber nicht, dass man durch Alter, Gebrechlichkeit, Pflegebedürftigkeit oder Hilfsbedürftigkeit seine Grundrechte verliert und verwirkt. Ich finde, das ist ein ganz entscheidender Punkt.
Dann wollte ich noch auf zwei Dinge Bezug nehmen, die Sie gesagt haben. Die Weglaufgefährdung von Demenzkranken ist, meiner Einschätzung und meiner Erfahrung nach, zu einem Teil darauf zurückzuführen, dass sie sich in herkömmlichen Pflegestationen nicht wirklich zu Hause und beheimatet fühlen. Sie machen sich auf die Suche nach sozialem Leben, nach Beziehungskontext, Zugehörigkeit und dem eingebunden sein. Ich denke, es geht bei den strukturellen Veränderungen, die notwendig sind, weg vom Platz oder Bettendenken hin zu der Vorstellung, dass auch alte Menschen Lebensräume benötigen und Strukturen, in denen es möglich ist, auch in dieser Lebensphase eine Art von Alltag zu leben.
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Frau von Keutz! Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Michael Wolf.
Als junger Mensch hier zu reden ist vielleicht etwas ungewöhnlich. Aber ein wichtiger Punkt ist der Sachstand, den wir heute in Pflegeheimen haben. Wir haben Menschen, die mit Psychopharmaka fixiert werden. Wir haben Menschen, denen alle Rechte entzogen werden. Da frage ich mich, warum die Heimaufsicht, die bei der Stadt Frankfurt beziehungsweise beim Land Hessen angesiedelt ist, dort nicht interveniert. Warum wird von der Stadt Frankfurt nicht genügend kontrolliert? Das ist eine Schweinerei gegenüber jedem alten Menschen. Einen alten Menschen so mit Psychopharmaka zu behandeln, dass er nicht mehr in der Lage ist, selbst über sein fremdbestimmtes Leben reden zu können, ist unmöglich.
Ein anderer Punkt ist, dass behinderte Menschen in Altenheime gesteckt werden. Wenn sie dagegen opponieren, werden sie in die Psychiatrie eingewiesen. Frage auch an die Stadt Frankfurt: Wie viele Menschen unter 60 Jahren sind in einem Altenheim untergebracht? Das ist ein Skandal. Ein Altenheim ist als Unterbringungsmöglichkeit für alte Leute in einer sozialen Einrichtung gedacht. Der nächste Punkt ist der Schlüssel, wonach sich festlegt, wie viele Patienten von einer Pflegekraft versorgt werden. Warum wirkt man darauf nicht ein? Wenn man an diesen Punkten, die jetzt schon vorhanden sind, die auch der Stadt Frankfurt bekannt sein müssten, ansetzen würde, brauchte man über Konzepte nicht mehr groß nachzudenken. Wenn es Leute gibt, die ein anderes Konzept von selbstbestimmtem Leben haben, kriegen sie durch die Heimaufsicht einen auf den Deckel, weil sie angeblich ein privates Altenheim führen. Drei oder vier alte Leute nehmen sich gemeinsam eine große Wohnung und stellen eine Pflegekraft ein, die bei alltäglichen Arbeiten hilft, dann ist das per Gesetz ein Pflegeheim. Wenn sich das in einer Privatwohnung befindet, wird es aufgelöst. Das geht nicht. Das sind Punkte, an denen Menschen menschenwürdig behandelt werden müssen.
Der nächste Punkt ist das Sterben in Würde. Wenn ich mir anschaue, wie viele Menschen in Frankfurt in Unwürde sterben, bekomme ich das kalte Grausen. Ich habe in einem Hospizverein gearbeitet, habe sterbende Menschen begleitet. Sterbende Menschen werden einfach in eine Abstellkammer gestellt und sollen dort sterben. Menschen sollten in Würde sterben können. Dazu gehört es auch, dass man Menschen befähigt, Menschen ins Sterben zu begleiten. Es gibt noch viele Punkte, die ich heute auf Grund der Redezeit nicht anbringen kann. Ich fordere den Magistrat auf, endlich die Punkte, die durch die Fachpresse und durch Fachaussagen von vielen Organisationen ständig wiederholt werden, endlich geändert werden. Es ist ein Unding, dass Menschen in Unwürde leben, ob das in Frankfurt oder anderswo ist.
Als Magistrat der Stadt Frankfurt kann ich mich herausreden und sagen, das Altenhilfegesetz, welches zum 01. Januar 2003 in Kraft tritt und wonach alte Menschen keine Sozialhilfe mehr beziehen sollen, wird in Frankfurt nicht vollzogen. Das sagt eine Oberbürgermeisterin. Richtig wäre, klar zu sagen, ich kann das nicht finanzieren, bitte schaut, dass es finanziert wird. Aber in der Öffentlichkeit eine solche Aussage zu machen, ist eine Unverschämtheit. Das sind Dinge, die alte, kranke und behinderte Menschen angehen. Wann wird endlich einmal an behinderte Menschen gedacht? An behinderte Menschen, die im Behindertsein leben müssen. Viele Menschen könnten in Frankfurt in ausreichenden Wohnungen leben, wenn alleine der Weg zum nächsten Geschäft ermöglicht wäre, wenn sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln leicht zur Zeil fahren könnten, um dort einkaufen zu gehen. Sie sind teilweise auf fremde Hilfe angewiesen, nur weil U-, S- und Straßenbahnen nicht in der Lage sind, behinderten und alten Menschen den Weg zu ermöglichen.
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Herr Wolf, Sie haben Ihre Redezeit schon etwas überzogen.
Michael Wolf:
(fortfahrend)
Entschuldigung, aber ich musste das einfach loswerden.
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Wolf! Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Walter Cŭrković-Paul.
Walter Cŭrković-Paul:
Herr Stadtverordnetenvorsteher,
meine sehr verehrten Damen und Herren!
Mein Name ist Walter Cŭrković-Paul. Ich bin von Beruf Altenpfleger, habe neun Jahre lang das Altenpflegeheim der Heilandsgemeinde im Stadtteil Bornheim geleitet und bin der Initiator des Projektes Altenpflegeheim e. V. Wir haben vor, in Frankfurt eine Altenpflegeeinrichtung - wir wollen von dem Wort Heim wegkommen - für Lesben und Schwule ins Leben zu rufen.
Ich möchte kurz auf zwei Punkte eingehen. Was mein Vorredner eben gesagt hat, ist in Teilen sicherlich richtig. Ich kann vieles von dem, was Sie gesagt haben, bestätigen. Ich glaube, wir haben in Frankfurt, wie auch in anderen Städten, Frau von Keutz hat es in gewisser Weise angedeutet, nicht erst fünf vor zwölf, wir haben schon zwölf, was die Situation in der Altenpflege anbelangt. Wir sind zum Handeln aufgefordert. Sicherlich haben wir eine Grundrechtsdebatte - eine Menschenrechtsdebatte - zu führen, aber wir haben nicht nur zu debattieren, sondern auch zu handeln.
Gabriele Scholz-Weinrich, eine Sozialgerontologin, hat maßgeblich an der Studie zur Gewaltsituation in neuen Frankfurter Alten- und Pflegeheimen mitgearbeitet. Frau Scholz-Weinrich und ich haben auf Grund dieser Ergebnisse und der jahrelangen politischen Altenarbeit der Stadt Frankfurt unsere Gedanken und Ideen vorgelegt, wie man die Frankfurter Altenstruktur in Teilen verbessern könnte. Daraus resultiert, unserer Meinung nach, die fast zwanzigjährige Arbeit in der Altenpflege, zumindest bei mir. Wir sind der Meinung, dass es dringend erforderlich ist, eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit im Hinblick auf Seniorenangebote und Seniorenpolitik in der Stadt durchzuführen. Meine konkrete Erfahrung als Heimleiter war, dass sich viele Menschen erst in letzter Minute kundig machen, wo es Hilfen gibt, und dann oft gezwungen sind, ein Heim zu nehmen, welches sich gerade anbietet. Wir haben in Frankfurt noch die glückliche Situation, dass man sich die Heime auswählen kann, um möglichst im angestammten Stadtteil wohnen bleiben zu können. Das sollten wir uns bewahren. Hier ist, glaube ich, Informationspolitik eine Art Prävention und sollte unbedingt in Angriff genommen und mehr verstärkt werden. Wir haben einen runden Tisch gefordert. Wir haben gesagt, wir sind der Meinung, dass dringend eine Bestandsaufnahme gemacht werden muss, denn nicht alles, was zu ändern ist, muss unbedingt Geld kosten. Es ist vielleicht auch eine Frage der Logistik und der Vernetzung. Einen Altenhilfeplan haben wir dringend empfohlen, daran arbeitet die Stadt glaube ich. Wir haben empfohlen, Frankfurter Altenhilfestandards mit den Trägern der Frankfurter Altenhilfe verbindlich zu verabreden, damit wir in Frankfurt auf einem einheitlichen Level sind. Wir haben gesagt, dass das Ehrenamt eine ganz wichtige Aufgabe hat, auch das klang eben an. Weil es aber nie die fachliche, qualifizierte Arbeit ersetzen wird, kann es dennoch dazu führen - wenn ich an die Situation in Altenheimen denke -, dass Ehrenamtliche mit Bewohnern spazieren gehen, weil die Pflegekräfte das nicht mehr schaffen. Pflegekräfte sind dazu nicht mehr in der Lage. Hier muss einfach eine Stärkung des Ehrenamtes erfolgen. Es gibt, glaube ich, nicht mehr sehr viele Menschen, die unentgeltlich arbeiten wollen. Da stellt sich die Frage, inwieweit Sozialsponsoring möglich ist. Wir haben im Kommunalwahlkampf 2001 von der damaligen Bundesfamilienministerin die Zusage erhalten, dass die Bundesregierung in dieser Hinsicht an einer Gesetzesänderung arbeitet. Bislang ist es so, dass Sozialsponsoring nicht möglich ist.
Was wir auch gefordert haben, ist eine Vernetzung der Altenhilfesysteme, also der stationären, ambulanten und vorbeugenden Altenhilfesysteme. All das muss unter dem Paradigmenwechsel, den wir angesprochen haben, in der Reihenfolge: Wohnen, leben und pflegen in den stationären Einrichtungen ablaufen. Das ist auch bei Ihnen eben schon angeklungen.
Noch ein Punkt, der mir ganz besonders wichtig erscheint: Wir müssen uns davor hüten, dass unser Frankfurter System von stadtteilorientierter, das heißt wohnortnaher Altenarbeit, destabilisiert oder zerstört wird. Es drängen verschiedene neue Träger auf den Altenhilfemarkt, ein äußerst lukrativer Markt, und diese neuen Träger nehmen in der Regel keine Rücksicht darauf, wo der Mensch herkommt. Die großen Krankenhauskonzerne werden in Zukunft ein völlig neues Vergütungssystem erhalten, die so genannten DRG-Fallpauschalen, und von daher wird die Verweildauer in den Krankenhäusern erheblich verkürzt werden. Die alten Menschen müssen entlassen werden, und dafür benötigen Krankenhäuser Altenheime.
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Herr Cŭrković-Paul, Ihre Redezeit ist leider zu Ende.
Walter Cŭrković-Paul:
(fortfahrend)
Nur noch einen Satz. Diese Tendenz führt in die Richtung, dass alte Menschen aus den Krankenhäusern direkt in klinikeigene Heime verlegt werden, und das wäre der Untergang der stadtteilorientierten Altenarbeit. Darüber bitte ich Sie, nachzudenken.
Vielen Dank!
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Cŭrković-Paul! Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Warmbier.
Mein Name ist Dietrich Warmbier und bin ehrenamtlicher Mitarbeiter des Instituts für Sozialarbeit. Ich möchte an das anschließen, was Herr Cŭrković-Paul gerade gesagt hat. Meine Sorge ist, dass viele Patienten in stationären Einrichtungen wie Krankenhäusern auf Grund der verkürzten Verweildauer, gerade wenn sie Mehrfacherkrankungen haben, immer mehr in die Alteneinrichtung gedrängt werden, wenn das Krankenhaus nicht mehr in der Lage ist, die Behandlung finanziell abzudecken. Die Altenpflegeeinrichtungen müssen im Grunde genommen Leistungen erbringen, die früher die Krankenhäuser mit abgedeckt haben, womit meines Erachtens nach die Pflegeeinrichtungen enorm überfordert sind. Ich habe bei meiner Mutter erlebt, die außerhalb Frankfurts, in Berlin, stark pflegebedürftig war, dass das Pflegepersonal in dieser Pflegeeinrichtung oftmals überfordert war. Hier sehe ich eine ganz große Problematik auf die Altenpflegeeinrichtungen zukommen. Darauf möchte ich hinweisen.
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Warmbier! Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Ursula Schmidt.
Mein Name ist Ursula Schmidt, ich bin eigentlich aus ganz privaten Gründen hier und möchte zuerst einmal grundsätzlich sagen, dass ich etwas enttäuscht darüber bin, dass diese Versammlung heute Abend so wenig in der Presse publik gemacht wurde. Das gilt als Kritik. Ich denke, es wären viel mehr Leute hierher gekommen. Das Thema ist bestimmt weitaus interessanter als es die Zahl der anwesenden Interessenten vermuten lässt. Wenn man schaut, wie viele Menschen von dem Thema betroffen sind - in welchen Abhängigkeiten auch immer - aber, wenn es nur einen Fünfzeiler in der Presse gab, in dem noch nicht einmal gesagt wurde, dass die Stadtverordnetenversammlung heute zu diesem wichtigen Thema einlädt, halte ich das schon für schade. Ich wünsche mir, da appelliere ich an die Presse, dass dieses Thema mehr in der Öffentlichkeit diskutiert wird, dass, wenn solche Veranstaltungen wie diese hier stattfinden, das nicht immer eine Insiderveranstaltung ist, bei der sich die Leute fast immer kennen und über die gleichen Themen diskutieren.
Ich möchte einmal Ihr Augenmerk, meine Damen und Herren, auf die Situation derer lenken, die ihre Eltern oder Angehörigen zu Hause pflegen. Das sind Tausende, darüber gibt es wahrscheinlich keine Statistiken, Herr Frey. Denn wie wollen Sie das erfragen? Wenn diese Menschen, die ihre Eltern oder Angehörigen unter manchmal sehr schwierigen Bedingungen zu Hause pflegen, das eines Tages nicht mehr tun könnten oder wollten, ständen Sie hier vor dem totalen Chaos, weil das niemand auffangen kann. So viele Pflegeplätze haben Sie nicht. Das ist etwas, was nicht in der Öffentlichkeit diskutiert, beinahe tabuisiert, wird. Ich kann das aus eigener Erfahrung sagen. Ich pflege seit zwölf Jahren meine schwerstbehinderte Schlaganfall-Mutter, habe, weil die Damen in unserer Familie sehr alt werden, eine 94-jährige Tante ohne Angehörige, eine 92-jährige Tante und habe jetzt im Sommer vier Monate Sterbebegleitung bei meiner 88-jährigen Tante geleistet, deren Kinder nicht hier in Frankfurt leben. Danach sind Sie am Ende Ihrer Kräfte. Dann könnten Sie eine Selbsthilfegruppe gründen oder gleich in eine gehen. Ich habe einen sehr schönen Satz gehört, da sagte jemand: „Man setzt dazu an wie zu einem 100-Meter-Lauf, und plötzlich steckt man in einem Marathon, dessen Ende nicht abzusehen ist.“
Ich weiß nicht, was die Stadt Frankfurt an Möglichkeiten hat, Menschen wie uns, die sagen, wir bringen die Eltern, vor allem die Mütter, nicht in ein Heim, wir versuchen das zu Hause zu regeln, zu unterstützen. Wir versuchen das mit Pflegediensten, wenn es notwendig ist, die zumindest die Krankenpflege übernehmen. Aber was das an Belastung bringt, gerade wenn man jemanden hat, der verwirrt ist, ich würde sagen, wer das nicht am eigenen Leib erlebt hat, der kann das vielleicht nachempfinden, aber mitreden kann er eigentlich nicht. Das ist meine Meinung dazu. Wenn man mit Leuten darüber spricht, fangen die Menschen an zu erzählen: „Wir haben unsere Oma auch fünf Jahre zu Hause gepflegt und die Schwiegermutter sechs Jahre.“ Fragen Sie nicht, da ist unter jedem Dach ein Ach. Die Menschen werden auch nicht aufgefordert, über solche Dinge öffentlich zu sprechen, das findet alles im häuslichen Bereich, sehr intim, statt. Das ist ein Riesenproblem, welches kaum in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Manchmal gibt es darüber einen Fernsehbericht, aber eigentlich ist das eine Realität, mit der tausende von Menschen leben. Diejenigen, die ihre Angehörigen betreuen und zu Hause pflegen und umgekehrt diejenigen, welche zu pflegen sind.
Herr Meyer vom Allgemeinen Rettungsverband kommt mit seinem Pflegedienst oft in solche Wohnungen oder Häuser, in denen das stattfindet. Er kann sicher viel mehr darüber sagen. Ich berichte jetzt nur von meinem eigenen Erleben, weil wir uns entschlossen haben, unsere Angehörigen nicht in ein Heim zu geben. Was das aber für Probleme bringt, möchte ich in diesem Zusammenhang auch erwähnen, obwohl ich weiß, dass das Frankfurter Stadtparlament hier nicht der richtige Ansprechpartner ist. Aber Sie sind letztendlich Politiker, die das auch entsprechend an die Bundes- und an die Landesregierung weitergeben können. Wir brauchen für solche Fälle Menschen, die uns zu Hause unterstützen. Ich sage das einmal ganz dezidiert. Wir sprechen nicht von Pflegekräften aus Osteuropa, sondern von der Unterstützung durch Haushaltshilfen. Wenn ich in solchen Diskussionen bin, sagen alle immer: „Je länger die Menschen zu Hause bleiben können, desto besser ist es für den alten Menschen. Solange er in seinem häuslichen Bereich ist, fühlt er sich am wohlsten.“ Aber es ist auch allen klar, dass das manchmal nicht zu machen ist, wenn wir keine Unterstützung bekommen. Es ist auch nicht bezahlbar, wenn wir das legal täten.
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Frau Schmidt, Sie haben Ihre Redezeit schon überschritten.
Ursula Schmidt:
(fortfahrend)
Ja, ich bin auch gleich fertig.
Daher appelliere ich an Sie, dass man sich über solche Situationen Gedanken macht und dass es Verbesserungen für all diejenigen, die ihre Senioren nicht in ein Heim bringen möchten, geben wird.
Danke!
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Frau Schmidt! Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Haider Schellenberg.
Herr Vorsteher,
meine Damen und Herren!
Ich arbeite beim Club Behinderter und ihrer Freunde in Frankfurt. Der CBF versorgt nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch alte, pflegebedürftige Menschen.
Mir sind zwei Aspekte wichtig. Der eine ist eben gerade angesprochen worden, nämlich der, von der Seite der zu Pflegenden, der Pflegebedürftigen und der noch nicht Pflegebedürftigen. Je länger Menschen mit Hauswirtschaft zu Hause versorgt werden, desto später tritt die Pflegebedürftigkeit ein. Zwei Veranstaltungen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Stadtverband Frankfurt, haben hierzu klare Ergebnisse gebracht. Zwei Studien haben gezeigt, dass die Pflegebedürftigkeit zum Teil um bis zu zehn Jahre - im Durchschnitt fünf bis sechs Jahre - nach hinten verschoben wird, wenn eine gute hauswirtschaftliche Versorgung gewährleistet ist. Hier meine Bitte an die Stadt Frankfurt, dafür Sorge zu tragen, dass das auch passiert. Dass billige Haushaltshilfen angeboten werden können, die für alle bezahlbar und auch für alle erreichbar sind. Das ist nämlich noch viel wichtiger.
Der zweite Aspekt geht von der anderen Seite her, nämlich von der Pflege. Ich habe von einer Imagekampagne für Pflegekräfte gehört. Es wird darum geworben, sich für diesen Beruf zu interessieren. Das mag alles ehrenwert sein. Solange aber die Bezahlung so miserabel ist, wie sie derzeit ist - daran macht sich letztendlich auch immer die Wertigkeit eines Berufs fest, wie viel dafür bezahlt wird -, wird sich auch an dem Berufsbild nichts ändern. Ich bitte Sie, dafür Sorge zu tragen, dass sich da etwas ändert. Das Gegenteil ist nämlich gerade der Fall. Die Pflegekassen sind, ich behaupte das einmal so, die größten Gegner der Pflegebedürftigen. Die Pflegekasse ist eine Teilkaskoversicherung. Herr Stadtrat Frey hat vorhin gesagt, maximal 1.500 Euro stehen pro Heimplatz zur Verfügung. Trotzdem bestimmen die Pflegekassen fast alleine über die Inhalte und Bedingungen, die in den Pflegeheimen herrschen.
Als Mitglied der Schiedsstelle SGBL des Landes Hessen weiß ich, wovon ich rede. Es wird immer wieder versucht, nicht die Kosten, die ein Heimträger hat, zu erstatten, sondern diese Kosten nach unten auf vermeintlich vergleichbare Heime zu definieren. Ob es diese Heime gibt oder nicht, wird von den Pflegekassen nicht nachgewiesen, und damit wird die Qualität der Heime Stück für Stück gesenkt. Das ist gewollt, weil auch die Pflegekassen bekanntlich kein Geld haben, und die Sozialhilfeträger, die noch Einhalt gebieten könnten - denn auch diese sitzen in der Schiedsstelle und in den Pflegesatzkommissionen - sagen natürlich nichts, ebenfalls aus der Finanznot heraus. Ich denke, da ist die Stadt Frankfurt aufgefordert, etwas zu tun. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren Stadtverordnete und natürlich die Damen und Herren des Magistrats, dafür zu sorgen, dass dieser Trend umgekehrt wird, sonst können Sie so viele Imagekampagnen starten, wie Sie wollen.
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Schellenberg! Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Püllen.
Mein Name ist Püllen. Ich bin ärztlicher Leiter der medizinisch-geriatrischen Klinik im Diakonissenkrankenhaus.
Ich möchte einen Gedanken von Herrn Frey aufgreifen. Sie hatten das Baukastensystem für ältere Bürger angesprochen. Zum Baukastensystem gehört auch die Frage, was geschieht, wenn eine Krankenhausbehandlung notwendig ist. Meine Frage ist: In welchen Umfang spielen in Ihren Gedanken, und in welchem Umfang spielen auch in den Publikationen, die Hinweise auf die geriatrischen Krankenhausabteilungen eine Rolle, die sich zum Ziel setzen, die Selbstständigkeit älterer Menschen zu erhöhen? In welchem Umfang spielt das bei den Planungen für alte Menschen eine Rolle? Eine Krankenhausbehandlung ist häufig notwendig und durch eine Krankenhausbehandlung tauchen viele Weichenstellungen auf. Oft in die falsche Richtung. Deshalb ist es wichtig zu wissen, dass geriatrische Krankenhausbehandlungen als ein Baustein im Gesamtkonzept einen wichtigen Beitrag zur „Altenarbeit in Frankfurt“ leisten können.
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Herr Püllen, herzlichen Dank! Als Nächster hat sich Herr Becker, Vorsitzender der CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet.
Stadtverordneter
Uwe Becker, CDU:
Vielen Dank! Meine Damen und Herren, ich verfolge das heute mit großem Interesse. Jede Fraktion im Stadtparlament hat die Möglichkeit, ein Thema für eine solche Bürgerversammlung, die einmal im Jahr stattfindet, vorzuschlagen. Das sind dann Themen, die beispielsweise den Einzelhandel oder den Flughafen betreffen. Wir haben als CDU-Fraktion bewusst gesagt, dass das Thema Altenpflege, stationär wie ambulant, ein Thema ist, das uns mindestens ebenso wichtig sein muss wie alle anderen Fragen, über die wir sonst sprechen. Es ist so - man nimmt an vielen Stellen die Einzelschicksale wahr -, dass es nicht irgendwelche abstrakten Diskussionen sind, die wir hier führen, sondern es sind Einzelschicksale, die hinter jeder Frage und jedem Problem, das heute hier geäußert wird, stecken. Herr Stadtrat Frey hat eine Reihe von Themen angesprochen, die die Stadt Frankfurt zum Teil schon leistet. Wir sind froh, dass wir insgesamt - auch von Seiten des Stadtparlaments - es erreicht haben, dass wir im Bereich der Thematik Standards und Altenhilfeplanung die notwendige Fortschreibung durchführen, um uns letztendlich nicht an Einzelthemen festzuhalten oder an den Problemen, die gerade in den Vordergrund treten, sondern uns insgesamt mit der Gesamtthematik Altenhilfeplanung beschäftigen.
Ich möchte aufgreifen, was Frau von Keutz angesprochen hat. Es hat mich berührt, weil sie es, losgelöst von der Fachlichkeit, aus der persönlichen Situation heraus beschrieben hat. Ich denke, das ist etwas, das wir uns häufig nicht vergegenwärtigen, dass die Situation für alte Menschen in Heimen - und das ist vorhin angesprochen worden - heutzutage teilweise so ist, die man sich selbst nicht wünschen würde, wenn man in die Situation käme. Es gibt schöne Heime und weniger schöne, aber an vielen Stellen ist die Situation sicherlich gravierend. An einigen Punkten - und das möchte ich betonen - produziert die Gesellschaft auf Grund der Form, wie die Sozialversicherungssysteme ausgelegt sind, auch ihre Pflegebedürftigkeit selbst. Vorhin ist es von Herrn Warmbier angesprochen worden. Die Frage, inwieweit die Krankenkassen oder die Krankenhäuser, die im Grundsatz die Möglichkeit hätten, Menschen davor zu bewahren, hinterher pflegebedürftig zu sein, über Rehabilitation et cetera - die Geriatrie, die Sie angesprochen haben, ist ein Teil davon -, aber viele können es sich heute wirtschaftlich nicht leisten, dies in den Krankenhäusern über die Krankenkassen zu finanzieren. Dann wird relativ schnell der Weg eingeschlagen, dass man einen Menschen, der im Grunde über eine Rehabilitation wieder in die Selbstständigkeit geführt werden kann, bewusst in die Pflegekasse überführt wird und dann in den Pflegeheimen in einem Zustand betreut wird, den man vermeiden könnte, wenn man vorher die notwendigen Schritte getan hätte.
Wir haben als Stadt Frankfurt - Herr Stadtrat Frey hat es angesprochen - neben dem, was ohnehin schon stattfindet, zwei Sofortprogramme beschlossen. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn die Summen von zwei und von 3,4 Millionen Euro für den stationären und den ambulanten Bereich in Relation zu den realen Kosten gesetzt werden. Aber es ist ein Tropfen, den wir bewusst gesetzt haben, weil wir es für notwendig erachten, dass hier mehr getan werden muss. Wir erwarten von den Pflegekassen und von den Sozialversicherungssystemen an der Stelle Veränderungen, aber wir haben als Stadt Frankfurt versucht, unseren Beitrag zu leisten. Ich denke, auch heute Abend ist es wichtig, das zu betonen. Es wird bei all den Spardiskussionen, die wir im Moment an vielen Stellen führen, sicherlich nicht möglich sein - ich bin Herrn Stadtrat Frey dankbar, dass er es betont hat -, dass wir an dem Punkt sicherlich nicht weniger Mittel aufwenden können, denn eigentlich ist schon der Status quo bei der Entwicklung, die wir in dem Bereich haben, ein Weniger an Mitteln, wenn wir uns die Entwicklung - auch die demographische - in dem Bereich anschauen.
Wir haben in der Diskussion bewusst einen Aspekt noch einmal angesprochen, das ist die Frage der Lebenssituation, die Sie aufgeworfen haben. Für mich ist es selbstverständlich: Es kann nicht sein, dass Menschen im Alter verwahrt werden oder dass Zustände im Bereich der Pflege, im Bereich von Mehrbettzimmern, die man vielleicht einmal über vier, fünf, sechs Wochen oder mehrere Monate im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes ertragen kann, dann fortgeschrieben werden bis ins Alter, weil man es akzeptieren muss, nicht mehr eigenständig betrachtet zu werden, sondern als bewusst krank und so pflegebedürftig, dass man vergisst, dass man am Ende auch die Menschlichkeit gewährleisten muss. Stadtrat Frey hat auch betont, dass man in der Frage der weiteren Ausstattung darauf achten wird, dass es sich zukünftig auf Einzelzimmer beziehen wird, also auch wirklich die eigene Sphäre zu schaffen, die es den Menschen nicht zumutet, unter vielen oder mehreren mit ihren persönlichen Schicksalen und Gebrechen umgehen zu müssen, was oftmals ein Zustand ist, den man sich sehr gut vor Augen führen kann.
Es ist auch angesprochen worden, dass nicht alles automatisch Geld kostet. Da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. An der Stelle ist allein schon die Frage von Standards, von der festen Verabredung, wie wir in Frankfurt mit alten Menschen insgesamt - irgendwann trifft es auch mich und jeden von uns - umgehen wollen. Von daher glaube ich, ist es der richtige Ansatz, den wir hier einschlagen, indem wir sagen, wir wollen auf einer gesicherten Grundlage Standards erarbeiten, wir wollen die Altenhilfeplanung fortschreiben, die sich dem Problem richtig annimmt, und wir müssen auch - das ist von Ihnen gesagt worden - das ehrenamtliche Engagement stärken. Nicht deshalb, weil es für uns billiger ist als das, was notwendigerweise zu investieren ist, denn oftmals - und das sagten Sie auch, Frau von Keutz - ist es das persönliche Wort, das an vielen Stellen schon hilft. Wir haben heute die Situation, dass in den Heimen für die psychosoziale Betreuung keine Zeit mehr ist, es ist wirklich nur noch das Abarbeiten von Themen im Akkord, die für eine Verwahrung - das sage ich jetzt bewusst - notwendig sind, aber die eigentliche Pflege und das Kümmern ...
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Herr Becker, ich möchte Sie bitten, zum Ende zu kommen.
Stadtverordneter Uwe Becker, CDU:
(fortfahrend)
Die eigentliche Pflege und das Kümmern findet nicht statt. Wir als Stadtverordnete - ich spreche da wohl auch für die übrigen Fraktionen - werden in den Beratungen zum Haushalt 2003 unser Möglichstes tun, dass an der Stelle genau hingeschaut wird, wenn wir über sparen sprechen, dass an dem Punkt, an dem wir notwendigerweise mehr tun müssen, am Ende nicht der Rotstift angesetzt werden kann. Es ist in dem Bereich gut investiertes Geld, und selbst schon die Investition der heutigen Mittel des Status quo wäre schon ein Weniger. Wir müssen dort mehr tun.
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Becker! Als Nächster hat sich von unserer Expertenbank Herr Berner zu Wort gemeldet. Herr Berner, Sie haben das Wort. Bitte!
Danke schön! Ich möchte am zuletzt angesprochenen Punkt ansetzen, nämlich der Frage des Ehrenamtes. Wenn wir uns vor Augen führen, wie viel pflegende und betreuende Menschen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten gebraucht werden, dann kann es einem nur schwindelig werden. Es ist unvorstellbar, wie diese Zahl von Pflege- und Betreuungskräften auf der beruflichen Schiene per Ausbildung zustande kommen soll, wie wir bis zum Jahre 2050 mindestens weitere 500.000 Menschen finden sollen, die in diesen Bereichen tätig werden. Deswegen führt überhaupt kein Weg daran vorbei, dass wir - was Herr Becker und viele andere heute auch schon angesprochen haben - genau schauen, wo Ressourcen von Menschen sind, die freiwillig tätig werden - aus welchen Gründen auch immer. Es gibt sehr unterschiedliche Zugänge und Auslöser dafür, dass jemand sagt: „Ich möchte der Gesellschaft etwas davon zurückgeben, was ich bekommen habe“ oder „Ich möchte gerne einmal in andere Bereiche hineinschauen.“ Es gibt sehr unterschiedliche Motivationen. Wir im Büro aktiv, das für Frankfurt die Ehrenamtlichen wirbt, berät und auch an die verschiedensten Organisationen vermittelt, stellen fest, dass sich tatsächlich das Bewusstsein gewandelt hat. Ganz wichtig: Es ist festzustellen, dass das Ehrenamt - gerade im sozialen Bereich - schon lange nicht mehr eine Domäne der Rentnerinnen und Rentner und Frührentner ist, sondern dass immer jüngere Leute nachfragen, wo sie tätig werden können und was sie überhaupt tun können. Es gibt bundesweite Untersuchungen, die von Schwindel erregenden Zahlen sprechen, wie viele Menschen für das Ehrenamt zu gewinnen wären. Ob diese Zahlen aber so auch alle stimmig sind, muss man sehen, aber Tatsache ist, dass es ein großes Potential an Zeit und an Engagement in diesem Land gibt, das noch zu motivieren ist und das es auszuschöpfen gilt, um zum Beispiel die Betreuung der alten Menschen und - was Sie angesprochen haben, Frau Schmidt - die Unterstützung der pflegenden Angehörigen zu organisieren.
Herr Becker hat in einem Halbsatz gesagt „nicht, weil es billiger ist“ - auch mir ist es wichtig, dies noch einmal zu betonen -, diese Arbeit von Ehrenamtlichen verrichten zu lassen. Das ist keine Sache, von der man sagt: „Na ja, dann machen das ein paar Leute, die wollen kein Geld, und dann kostet es auch nichts.“ Das ist falsch. Um so eine Struktur dauerhaft am Leben zu erhalten, braucht es eine sehr regelmäßige, eine sehr verlässliche Begleitung, eine Strukturierung durch hauptamtliche Kräfte, aber es lässt sich damit eine sehr große Hebelwirkung erzielen. Sie haben gesagt, dass es darüber keine Zahlen gibt. Man geht davon aus, dass 70 Prozent der pflegebedürftigen Menschen von Angehörigen gepflegt werden. Gehen wir einmal davon aus, dass diese Zahl auch für Frankfurt zutrifft, dann ist das ein riesengroßes Potential. Wenn man allerdings einen Blick nach Kassel richtet: Dort ist vor wenigen Wochen eine Umfrage bei 40- bis 60-jährigen Menschen beendet worden, in der genau die Frage der Perspektive, der Pflegebereitschaft und der Frage „Wie stellen Sie sich Ihre Situation vor, wenn Sie pflegebedürftig werden?“ nachgegangen wurde. Diese Kasseler Untersuchung hat ergeben, dass von diesen 40- bis 60-jährigen Menschen gerade einmal zwölf Prozent bereit sind, selbst zu pflegen. Das ist noch einmal ein Argument dafür, dass man andere Quellen anbohren und ausnutzen muss - wenn wir bei dem Bild der Quellen bleiben wollen. Ich denke, da gibt es schon einige Möglichkeiten, beispielsweise indem man Werbung für das Ehrenamt betreibt und indem man auch die Situation der Ehrenamtlichen verbessert, sodass sie sich tatsächlich auch wertgeschätzt fühlen, dass sie qualifiziert werden und für sich selbst aus diesem Engagement etwas zurückbekommen. Es ist wichtig, dass das keine Einbahnstraße ist, sondern dass es nach beiden Seiten funktioniert.
Ich weiß nicht, wie es mit meiner Redezeit aussieht, ich habe nicht auf die Uhr gesehen. Darf ich noch zwei andere Punkte ansprechen? Danke!
Die Situation in den Heimen ist hier und an vielen anderen Stellen schon hinreichend beklagt worden. Ich selbst kann ein langes und schweres Klagelied davon singen, denn ich habe elf Jahre lang ein großes Frankfurter Pflegeheim geleitet. Aus diesen verschiedenen eigenen Erfahrungen, aus diesen Ängsten, die es bei den Menschen hervorruft: „Was ist in den Heimen los, wie geht es dort zu, was wird einmal mit mir, wenn ich pflegebedürftig werde?“ gibt es immer mehr Menschen, die sich schon frühzeitig Gedanken machen und alternative Formen entwickeln wollen. Das fängt - wenn es denn tragfähig sein und auf Dauer funktionieren soll - sehr früh an. Darüber kann man sich nicht erst im Alter von 75 Jahren Gedanken machen und sich zusammenfinden wollen. Es gibt in Frankfurt wie auch in anderen Städten einige Initiativen, die das auf ihre Fahnen geschrieben haben, das alternative Wohnen, generationsübergreifend in der Regel, die jetzt per Beschluss der Stadtverordnetenversammlung ermuntert worden sind. Ich denke, dazu gehört aber mehr als aufmunternde Worte. Auch das sind Strukturen, die geschaffen und gestützt werden müssen. Auch dafür muss geworben werden. Es gibt sehr viele Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, sich irgendwann einmal ein wenig umzuschauen. Die muss man an die Hand nehmen und sagen: „Komm, da gibt es eine Möglichkeit sich auszutauschen, da kannst du andere Interessierte finden, damit ihr euch über so ein Projekt Gedanken macht.“ Das alternative Wohnen für alte Menschen, aber möglichst generationsübergreifend, ist ein Feld - denke ich - bei dem hier in Frankfurt noch sehr viel mehr getan werden muss - mit nicht sehr aufwendigen Finanzmitteln, aber etwas muss sicher auch dafür ausgegeben werden.
Der dritte und letzte Punkt, dann bin ich am Ende meiner Rede, und ich möchte ihn auch nur ganz kurz streifen. Die Hospizarbeit, auch die ambulante Hospizarbeit, ist kurz erwähnt worden. Hier ist Frankfurt gegenüber vergleichbaren Städten ziemlich weit zurück. Auch da lässt sich einiges tun. Es gibt Ehrenamtliche, und es gibt Menschen, die sich in dem Bereich ehrenamtlich engagieren möchten. Ich denke, wir müssen noch etwas mehr Strukturen schaffen als es bisher der Fall ist.
Danke!
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Berner! Es liegt eine weitere Wortmeldung von der Experten-Bank vor. Frau Glinski-Krause, Sie haben das Wort. Bitte!
Ich hoffe, dass ich verstanden werde. Ich mache seit zehn Jahren Öffentlichkeitsarbeit für die Frankfurter Alten- und Pflegeheime, die sich zu einem Kommunikationsverbund zusammengeschlossen haben und wo die Pflegeheimleitenden mit Einführung der Pflegeversicherung gesehen haben, dass wir in eine Struktur kommen, die eigentlich den Lebensbedingungen der alten Menschen nicht sehr entgegenkommt, so wie die alten Hilfestandards der letzten zehn und 20 Jahre entwickelt worden sind. Ich denke, vor diesem Hintergrund ist das Sofortprogramm auch in den vergangenen vier Jahren kommuniziert worden. Es gibt jetzt einen Abschluss von 27 Projekten in den Altenpflegeheimen, und ich denke, in Frankfurt haben wir einen guten Weg eingeschlagen, wenn man sich überlegt, dass wir vor dem Hintergrund der Pflegeversicherung ambulant vor stationär in bundesdeutschen Altenpflegeheimen eine Entwicklung haben, bei der 50, 60 bis fast 70 Prozent der Pflegebedürftigen in irgendeiner Weise gerontopsychiatrisch beeinträchtigt sind.
Wir haben eine Veränderung in der Heimsituation. Das bedeutet, dass diese Situation auch für das Personal eine unheimliche Belastung darstellt, wenn nicht entsprechende Fortbildungen gemacht werden und dementsprechend für diese Menschen etwas getan wird. Ich finde an den Projekten sehr schön, dass mit den Mitteln der Stadt Frankfurt Ergebnisse erzielt worden sind, dass man mit viel Zuwendung, mit geplantem und sehr strukturiertem und ruhigem Verhalten auf desorientierte Menschen hat zugehen können, mit dem Effekt, dass zum Beispiel Personen, die nachtaktiv geworden sind, wieder in einen Rhythmus gekommen sind, um tagaktiv zu sein - um es einmal so auszudrücken -, oder dass Menschen, die beispielsweise aggressiv sind, die Gegenstände aus dem Fenster geworfen haben, dieses Verhalten durch eine verstärkte Zuwendung aufgegeben haben und dadurch eine Situation entstanden ist, dass sowohl für Pflegebedürftige als auch für das Personal im Wohnbereich eine bestimmte Beruhigung eingetreten ist. Insofern hat man in Frankfurt einen richtigen Weg eingeschlagen, hier Pflegeversicherung nur als einen Pflegebedürftigkeitsbegriff zu definieren, der körperlich orientiert ist und der letzten Endes nicht die Situation von Pflegebedürftigen einkalkuliert, die von ihren Verstandesleistungen eine völlig andere Betreuung haben. Hier ist von der Basiskommunikation der stationären Altenpflege an die Politik etwas passiert, was ich mir sowohl in der Landes- als auch in der Bundespolitik ebenfalls wünsche. Von daher muss das, was in Frankfurt passiert, auf Landes- und Bundesebene möglichst breit kommuniziert werden, und zwar auch mit den Ergebnissen, die man hier erzielt hat. Ich denke, dass wir eine breitere Diskussion mit den Menschen vor Ort führen müssen.
Frau Schmidt hat vorhin darüber gesprochen, und ich selbst weiß auch, was es bedeutet, jemanden 15 Jahre lang ambulant zu betreuen. Meine Schwiegermutter war schwer gerontopsychiatrisch erkrankt. Ich habe mich oft gefragt, warum man es nicht fertig bekommt, sie in ein Pflegeheim zu bringen. Ich hätte es mir gewünscht. Ich kenne auch die Ressentiments. Wenn wir es schaffen, auch angesichts einer singularisierenden Gesellschaft, Bedingungen der stationären Pflege zu installieren, die mehr den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen und auch der Pflegenden entgegenkommen, dann ist das letzten Endes ein Weg, der richtig ist.
Um es jetzt noch einmal von der journalistischen Sicht aus zu betrachten: Es gab vor einiger Zeit einen Bericht in der Sendung „Panorama“. Dort hat man eruiert, wie hoch die Verwaltungskosten allein in der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Man kam auf die Summe von sechs Milliarden Euro, die dieses System kostet. Das Einnahmevolumen der Pflegeversicherung in der Bundesrepublik beträgt ungefähr 16 oder 17 Milliarden Euro. Inwieweit die Politik auf Bundesebene sich ein Stück weit fragen muss, ob es sinnvoll ist, Riesenapparate drumherum zu entwickeln, wenn man quasi mit einem ähnlichen Geldbetrag möglicherweise viel mehr Geld für die Pflege hätte, das möchte ich als Frage an die Bevölkerung richten, aber die Journalisten stellen die Frage genauso.
Ich danke Ihnen!
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Frau Glinski-Krause! Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Nicole Eckert.
Guten Tag!
Zunächst möchte ich mich vorstellen: Ich bin Medizinstudentin und habe längere Zeit in einem Altenheim gearbeitet. Von daher habe ich mir meine eigenen Gedanken gemacht und versucht, die möglichst realistischsten und pragmatischsten Ansätze zu verfolgen, bin aber letztendlich zur grundlegenden Frage gekommen: Gibt es überhaupt einen gesetzlich festgelegten Pflegeschlüssel, und gibt es eine gesetzlich festgelegte Examiniertenquote? Wenn man diese beiden Dinge angehen würde, hätte man schon ein großes Problem gelöst. Gerade die Examiniertenquote hat mich immer sehr beeindruckt im Altenheim. Es gab einen Examinierten, und alle anderen waren mehr oder weniger Aushilfskräfte. Insofern denke ich, dass die gesamte Verbesserung der Ausbildung im Pflegeberuf nichts nutzt, wenn nur eine Person auf der Station diese Ausbildung hat.
Zum Pflegeschlüssel: Wenn man das Ganze gesetzlich festlegt und sanktioniert oder veröffentlicht, welche Häuser ihre Schlüssel einhalten und welche nicht, wäre die Problematik, was die Betreuung betrifft oder wie viel Zeit man für eine Person hat, schon relativ gut geregelt, ohne dass man das riesige finanzielle Problem aufwirft, wie man Unterhaltungsprogramme und sonstige Dinge schafft.
Ich möchte kurz darauf eingehen, was den Weg vom Krankenhaus ins Altenheim angeht: Ich denke, auch das ist gar nicht so schwer zu lösen. Selbst, wenn man die Krankenhausliegezeit verkürzen muss - ich selbst kannte bei uns im Altenheim genug Menschen, die dort eingewiesen wurden, obwohl man sie - meiner Meinung nach - wieder in ihre eigene Wohnung hätte reintegrieren können und die auch selbst dieser Meinung waren. Gerade Schlaganfallpatienten, die erst nach Monaten wieder einigermaßen geistig fit sind, sagen: „Das wäre nicht nötig gewesen.“ Dann aber war die Wohnung aufgelöst und nichts mehr da, und sie konnten deswegen nicht mehr zurück. Ich denke, das Problem ist, dass man auch bei verkürzter Liegezeit trotzdem eine Rehabilitation rechtzeitig anmelden muss. Selbst wenn zwischenzeitlich ein kurzer Altenheimaufenthalt nötig ist, muss man das weiter verfolgen. Krankenhäuser, die das versäumen, müssen ebenfalls sanktioniert werden. Krankenhäuser werden sanktioniert, wenn sie zu teure Medikamente verschreiben, aber wenn sie eine Rehabilitationsmaßnahme versäumen - das kommt häufig vor -, dann passiert nichts, aber es kostet wahnsinnig viel Geld, weil nämlich die Leute in Altenheimen landen, statt dass sie wieder selbstständig werden.
Danke!
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Frau Eckert! Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Karl‑Heinz Maier vom Allgemeinen Rettungsverband.
Herr Vorsteher,
meine Damen und Herren!
Ich möchte eine Ergänzung zur ambulanten Pflege anbringen. Zunächst einmal haben wir heute Schlagworte wie Fallpauschalen gehört, wir haben etwas gehört über Heimaufenthalte, über Hauswirtschaft als Grundvoraussetzung oder als Endlösung eines alt werdenden Lebens. Lachen Sie nicht, ich meinte das nicht so, wie Sie es jetzt aufgefasst haben.
Die Tatsache ist: Auch in der ambulanten Pflege erleben wir zunehmend eine Änderung, und zwar der Pflegeunkultur - lassen Sie es mich so nennen. Menschen werden heute blutig aus dem Krankenhaus entlassen, eine Knieoperation erfolgt am Vormittag, am Abend kommen die Menschen mit dem Rettungswagen nach Hause, und jetzt kommt das Interessante: Wenn eine Pflegestufe vorliegt, dann wird die Krankenkasse auf verschiedene Indikationen verzichten. Das heißt, die Leute müssen von ihrem Pflegegeld verschiedene Leistungen bezahlen. Heute wird zum Beispiel von der Krankenkasse eine Thrombosebehandlung nicht mehr bezahlt, selbst die Spritzen müssen von der Pflegekasse übernommen werden.
Zweitens: Es gibt mittlerweile Urteile, die entsprechende Vorsichtsmaßnahmen gegen Thrombosegefahr in Form von Stützstrümpfen beinhalten. Auch da muss die Pflegekasse nun herhalten. Das heißt, seit 1992 bekommen die Menschen keinen Pfennig Geld mehr über ihre Pflegekassen, aber immer mehr Leistungen werden in die Pflegekassen per Gerichtsentscheid hineingedrückt. Das bedeutet - und hier, Herr Stadtrat Frey, glaube ich nicht ohne Weiteres daran, dass Ihr Bericht dementsprechend das bereits beinhaltet, auch die Altenpflege -, denn immer mehr Kosten kommen auf die Sozialämter zu. Das wird massiver werden. Diese Fallpauschalen sind schön, aber stellen Sie sich vor, jemand kommt ins Krankenhaus, liegt zum Beispiel - wie wir es jetzt erlebt haben - mit einer Kehlkopfoperation eine Woche stationär, wird entlassen, bekommt ein Sauerstoff- und ein Absauggerät, und die 81‑jährige Ehefrau soll diese Tätigkeiten verrichten. Das ist nicht mehr menschenwürdig. Hier bitte ich den Magistrat, auf die Kranken- und Pflegekassen Druck auszuüben - Herr Staymann wird mir in diesem Falle Recht geben -, dass die Kassen endlich dazu kommen, ihre Verwaltung nicht mehr weiter hochzuschrauben, denn wir als Pflegedienste bekommen immer mehr Verwaltungstätigkeiten - auch die Sozialämter. Wir kommen überhaupt nicht mehr mit der reinen Verwaltung nach. Ich denke daran, dass sich die Kassen an gesetzliche Verpflichtungen wie zum Beispiel 28 Tage Pflege nach einem Krankenhausaufenthalt nicht mehr halten, weil sie nur noch zehn Tage genehmigen und eine Leistung über zehn Tage schon kaum noch denkbar ist. Hier muss etwas getan werden, und hier muss auch der Hebel gegenüber den Kassen angesetzt werden, die ihr Budget zu Lasten der Kommunen letztendlich nach unten verteilen. Das funktioniert auf Dauer bei immer geringerem Budget nicht mehr.
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Maier! Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Stadtverordnete Ursula Busch von der SPD-Fraktion.
Stadtverordnete
Ursula Busch, SPD:
Meine Damen und Herren!
Ich möchte mich zunächst auf die Verbesserung des Images der Pflegeberufe beziehen. Wir haben sehr viel darüber gesprochen, dass das Image verbessert werden muss. Ich habe mich vor kurzem mit jemandem unterhalten, der sehr lange auf einer Intensivstation im Krankenhaus und später als Altenpfleger gearbeitet hat. Er sagte, er fühle sich manchmal wie ein potentieller Straftäter. Immer, wenn gerade im Fernsehen ein Bericht über schlimme Zustände in einem Heim gesendet wurde, dann würden die Angehörigen ihn anschauen, als wollten sie sagen: „Schlägst du unsere Großmutter auch?“ Das ist natürlich keine Hilfe, um Menschen für diesen Beruf zu gewinnen. Selbstverständlich muss man herausfinden, warum es zum Beispiel Gewalt oder Vernachlässigung in der Pflege gibt - übrigens auch in Familien, nicht nur in Heimen - und muss dem massiv entgegenwirken. Man darf es aber nicht so weit kommen lassen, dass ein kompletter Berufsstand sozusagen potentiell unter Verdacht steht. So macht man den Beruf nicht beliebter, und so gewinnt man auch keine qualifizierten Menschen, die in diesem Beruf arbeiten wollen.
Unwürdige Lebensumstände im Alter - das ist hier mehrfach sehr richtig gesagt worden - sind auf jeden Fall zu verurteilen, ob das zu Hause passiert - und alle Nachbarn schauen weg, obwohl sie merken, dass jemand langsam verwahrlost und alleine nicht mehr richtig zurechtkommt ohne Hilfe -, oder ob das in Familien passiert, wo zum Teil auch die Angehörigen nicht in der Lage sind zu erkennen, welche Art von Hilfe notwendig wäre, was überwiegend bestimmt kein böser Wille ist, oder ob es in den Heimen passiert, wo durch Pflegeversicherung und durch zunehmenden Stress der Pflegekräfte die Menschen nicht mehr so betreut werden, wie sie betreut werden sollten. Das ist sicherlich zu verurteilen, und dem muss man entgegenwirken. Heute Abend stellt sich für uns auch die Frage, was wir hier in der Stadt tun können.
Es ist einiges geschehen, beispielsweise durch zusätzliche Mittel wie das Sofortprogramm, und ich habe mit großer Freude gehört, dass auch Herr Kollege Becker gesagt hat, dass uns seine Fraktion die volle Unterstützung gibt, beim anstehenden Sparkonzert der Stadt Frankfurt dieses Programm und den Sozialetat nicht überwiegend zu belasten. Das ist um so erfreulicher, weil, als das Sofortprogramm eingeführt wurde, nicht alle Fraktionen dafür gewesen sind. Ich finde es sehr gut, dass es sich derart bewährt hat, dass wir jetzt alle davon überzeugt sind und gemeinsam für dieses Programm eintreten und schauen werden, dass es nicht aus dem Haushalt gestrichen wird.
Das andere ist, dass man die Angebote besser vernetzen muss. Das ist ebenfalls von einigen von Ihnen zu Recht gefordert worden. Ein Altenhilfeplan ist - soweit ich weiß - derzeit in Vorbereitung, aber dazu werden bestimmt unsere Experten aus dem Sozialdezernat noch etwas sagen. Einen sehr guten Hinweis, fand ich, waren die frankfurtspezifischen Gegebenheiten wie die stadtteilnahe Versorgung. Wenn Sie sich das in anderen Großstädten anschauen, stellen Sie fest, dass es in der Tat nicht überall so ist, dass jemand die Möglichkeit hat, stadtteilnah, bei alten Freunden, Bekannten oder Nachbarn, die dann vielleicht auch einmal zu Besuch kommen, wenn sich das Altenheim im selben Stadtteil oder in einem umliegenden Stadtteil befindet, untergebracht werden zu können. Nicht jeder hat die Chance, das zu machen. Auf dem flachen Land gibt es Fälle, dass Menschen wirklich kilometerweit weg in ein Heim müssen, wenn sie einen Heimplatz brauchen. Natürlich ist es auch hier nicht möglich, dass jeder, der einen Pflegeplatz benötigt, ihn dort bekommt, wo er ihn haben möchte, aber es gibt doch sehr gute Möglichkeiten, zumindest ortsbezirksweise in Heime zu kommen, die dem alten Wohngebiet nahe liegen.
Abschließend möchte ich noch etwas zu den Behinderten sagen, weil darüber bisher relativ wenig gesagt wurde. Ich glaube, Sie, Herr Wolf, haben richtig eingefordert, dass man Behinderten eine größere Mobilität in dieser Stadt ermöglichen muss. Das ist natürlich auch eine Kostenfrage, das wissen wir alle. Die Stadt Frankfurt versucht aber, einiges zu tun. Sie werden sicherlich gemerkt haben, dass die U-Bahnen teilweise schon umgebaut worden sind, teilweise noch in Planung, sodass nicht nur Behinderte und Ältere, sondern auch Mütter mit Kinderwagen leichter ein- und aussteigen können. Es soll Zug um Zug weitergehen, aber das hängt natürlich auch von der Haushaltslage der Stadt ab. Dass es am Anfang einige Fehlplanungen gegeben hat und einige Schrägaufzüge nicht funktioniert haben, das haben wir hier in diesem Raum schon sehr oft besprochen. Auch hier kann es nur besser werden, denn je mehr Erfahrungen die Stadt mit solchen Umbauten macht, desto besser wird sie das hoffentlich in Zukunft hinbekommen. Sie haben richtig gefordert, dass es auch mehr Wohnungen für Behinderte geben muss. Ich glaube aber, hier ist nicht nur auf Seiten der Stadt im öffentlichen Wohnungsbau eine Verpflichtung zu sehen, sondern auch im privaten Wohnungsbau. Ich würde erwarten, dass auch private Investoren ihrer sozialen Verpflichtung nachkommen, und dass auch private Investoren behindertengerechte Wohnungen anbieten. Das ist nicht nur eine öffentliche Aufgabe.
Zuletzt möchte ich noch sagen, soweit ich es bisher mitbekommen habe - auch in meiner Tätigkeit als Stadtverordnete -, ist Frankfurt eine Stadt, die aus einem sehr hohen Potential überaus engagierter Ehrenamtlicher schöpfen kann. Es gibt unendlich viele Stiftungen, es gibt sehr viel ehrenamtliches Engagement von den großen Sozialverbänden bis hin zu kleineren Initiativen wie Nachbarschaftshilfen oder Ähnliches, ohne die unser System jetzt schon nicht mehr funktionieren würde. Das ist ein sehr großes Potential, ein sehr großer Wert, den wir haben, und wir alle müssen versuchen, ihn zu erhalten.
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Frau Busch! Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Pfarrer Petersen vom Evangelischen Verein für Innere Mission.
Auch ich bin Bürger dieser Stadt, aber gleichzeitig bin ich natürlich in einer solchen Debatte auch Trägervertreter. Ich wundere mich in dem Kontext, dass von der Ortsliga bei dieser Versammlung kein Experte vertreten ist, weil sie im Grunde die Altenpflege, stationär und ambulant, in Frankfurt fachlich vertritt; dies nur als kleine Anmerkung.
Ich würde gerne zu drei Dingen ganz kurz Stellung nehmen. Ich erlebe immer wieder, dass in der Debatte von Frankfurter Altenpflegestandards gesprochen wird. Ich halte das für völlig verfehlt. Altenpflegestandards gelten bundesweit und werden von den Trägern umgesetzt, es kann also keinen Frankfurter Standard geben. So viel Nationalbewusstsein sollten wir in Frankfurt an dieser Stelle nicht haben, sondern wir sollten sehen, dass es in allen Einrichtungen eine vergleichbare Qualität gibt. Das ist durch verschiedene Dinge ausgelöst worden. Ich denke, da sollten wir vielleicht ein bisschen weiter blicken.
Zweitens komme ich noch einmal zu Ihrer Berechnungsart. Uns als Träger kosten nicht die Veranstaltungen, das Monopoly- oder das Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel oder die Unterhaltungsprogramme in den Heimen so viel Geld, das ist nicht der Punkt. Wenn man 24 Stunden pro Tag an 365 Tagen im Jahr durchgängig Fachkräfte und Nichtexaminierte vorhalten muss, dann erhöht jede weitere Fachkraft, die man einstellen muss, den Preis des Hauses erheblich. Dies ist mit den bisher gewährten Pflegesätzen nicht zu realisieren. Uns allen behagt es nicht, zu wissen, dass wir auf Grund der jetzigen Pflegesätze in den stationären Einrichtungen eine Pflegekraft für durchschnittlich zwölf Bewohnerinnen und Bewohner einsetzen können. Das behagt uns allen nicht, aber das können wir nicht in Frankfurt lösen, sondern das ist eine Thematik, die nur mit den Pflegekassen und auf bundesgesetzlicher Grundlage zu lösen ist, und zwar auf Grund der Rahmenverträge mit dem Land Hessen.
Ich komme zum letzten Punkt. Ich danke an dieser Stelle ganz herzlich allen, die sich in der Stadt Frankfurt bemüht haben und denen es durch das Soforthilfeprogramm, durch die Imagekampagne, die nun einmal Imagekampagne heißt, auch wenn da viele andere Dinge gemacht werden als nur irgendein Plakat zu entwerfen, gelungen ist, Bewegung in die Sache zu bringen. Dieser kleine Tropfen hat in den Häusern vieles in Bewegung gebracht, nicht nur das einzelne kleine Element, sondern die Tatsache, dass es weiter wirkt. Wenn wir das tatsächlich noch ein Jahr fortsetzen können, wie es nach all den Zusagen aussieht, die man hört - natürlich hören wir auch, welche Haushaltsvorgaben Ihnen als Verantwortlichen in der Stadt gemacht werden -, wenn Sie das irgendwie hinbekommen, dann hierfür herzlichen Dank im Voraus!
Noch eine Anmerkung zur Altenpflegeausbildung: Es gibt in Frankfurt vier Altenpflegeschulen - eine hat vor einem Jahr ihren Betrieb schließlich ganz eingestellt -, die alle bezüglich der Grundfinanzierung oder im Hinblick auf die Rahmenbedingungen noch immer unterfinanziert sind. Das heißt, die Träger dieser Schulen legen immer noch Geld drauf. Wir sind immer noch im Gespräch mit dem Land Hessen - das muss vom Land bezahlt werden und betrifft die Stadt nicht -, aber das heißt, wir legen immer noch Geld drauf, um diese Schulen zu erhalten.
Wir haben seit drei oder vier Jahren einen Auftritt auf der Berufsbildungsmesse für die Altenpflegeschulen, was finanziell wesentlich durch die Stadt Frankfurt ermöglicht worden ist. Es ist langfristig ein wichtiger Schritt nicht nur in der Zeitung zu werben, sondern auch dort präsent zu sein, und es hat gezeigt, dass die Gespräche mit Schülern, denen man dort begegnet, immer sinnhaft sind, auch wenn sie nicht sofort zu Bewerbungen führen. Wir müssen überhaupt bekannt machen, dass es diesen Beruf gibt. Wir haben pro Jahr 140 Ausbildungsplätze für Altenpflege in den Schulen und in den Einrichtungen in Frankfurt. Das ist immerhin schon etwas, aber wenn wir die Bedarfe sehen, die wir mit den Menschen die wir ausbilden, abdecken müssen, dann wird uns angst und bange. Jedes Jahr wird uns angst und bange, ob wir überhaupt einen Kurs in den Schulen voll bekommen, weil die Bewerberzahlen leider nicht so rasant steigen, sondern wir immer froh sind, wenn wir gerade einmal 20 Plätze mit halbwegs geeigneten Bewerberinnen und Bewerbern haben. Also, da ist noch mehr zu tun, vor allem muss bekannt gemacht werden, dass dort eine vernünftige und sehr qualifizierte Ausbildung geleistet wird. Da gibt es Unterstützung von der Stadt, und wenn wir da noch ein bisschen weitermachen könnten, dann wäre das schon sehr viel.
Danke!
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Pfarrer Petersen! Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Stadtverordneten Stefan Majer, Fraktion der GRÜNEN im Römer.
Stadtverordneter
Stefan Majer, GRÜNE:
Ich möchte auch ein paar Anmerkungen zu dieser Diskussion machen und tue das nicht nur als Politiker, sondern als jemand, der weiß, wie es vor Ort aussieht, weil ich selbst lange Jahre einen ambulanten Pflegedienst geleitet habe. Ich weiß, wie schwierig es ist, einerseits hart am Rande der Wirtschaftlichkeit eines solchen Betriebes zu stehen und auf der anderen Seite in der konkreten Arbeit mit den pflegebedürftigen Menschen vor Ort erleben zu müssen, dass man sein Äußerstes gibt, dass jedoch auch das noch immer zu wenig ist und man im Grunde genommen oft nicht weiterweiß.
Ganz viele Fragen, die hier von den Bürgerinnen und Bürgern angesprochen wurden, sind Fragen, die letzten Endes mit dem lieben Geld zu tun haben, zum Beispiel die Frage der Examiniertenquote, das ist vollkommen klar. Nur, was heißt das auf der anderen Seite? Wenn wir mehr examiniertes Personal haben, dann wird es wesentlich teurer. Damit kommen wir zu der entscheidenden Frage, praktisch zur Gretchenfrage unserer gesamten Diskussion, und die hat schon etwas damit zu tun, wie wir langfristig mit dem Thema Pflegeversicherung umgehen. Es ist klar, dass die gegenwärtig bestehende Regelung in keiner Art und Weise den langfristigen Bedarf abdeckt, den wir in diesem Bereich haben; nicht nur, was den demographischen Faktor angeht, sondern auch, was die Qualität angeht, das ist absolut unzureichend. Da wir auf Bundesebene jetzt eine Expertenkommission zu den sozialen Sicherungssystemen haben, hoffe ich - und das sage ich an dieser Stelle auch meinen eigenen Leuten -, dass man sich dort, was dringend erforderlich ist, auch zum Bereich der Pflegeversicherung ein paar Gedanken macht, sonst werden wir nicht weiterkommen können.
Ich sage in dem Zusammenhang auch klar, dass das, was wir hier als Stadt machen können, begrenzt ist. Das Loch, das dort im Bereich der Pflegeversicherung besteht, ist so groß, dass wir hier im Grunde genommen nur Anstöße für das liefern können, was notwendig ist. Ich bin immer ein bisschen zwiegespalten, weil ich denke, wir lösen auch viele Hoffnungen aus, wenn wir sagen, dass wir hier in der Stadt etwas verbessern wollen. Letzten Endes wissen wir aber, dass wir - gerade, was die Frage von psychosozialer Begleitung oder Verbesserung der Arbeit im stationären und ambulanten Bereich angeht - den Ansprüchen überhaupt nicht gerecht werden können. Das müssen wir auch so sagen. Wir müssten als Kommune Geld ausgeben, das wir nie und nimmer haben. Von daher müssen wir dies einfach ehrlich sagen und andererseits natürlich auch dort Druck machen, wo er hingehört.
Ich denke, das hat aber auch etwas mit der rechtzeitigen Absicherung zu tun. Wer von den Jüngeren hier ist denn bereit, tatsächlich eine Vorsorge zu treffen für sein eigenes Älterwerden und für das, was er später an zusätzlicher Qualität in der Pflege haben will? Auch diese Frage muss man stellen; man kann sie nicht erst im Alter angehen. Das ist eine eminent wichtige Frage, die aber sehr gerne weggeschoben wird, wie alles, was mit Alter und Krankheit zu tun hat.
Die Frage, die Pfarrer Petersen angesprochen hat, halte ich ebenfalls für eine ganz wichtige, nämlich die Frage der Ausbildung, dieses Stiefmütterchendasein der Altenpflege- und Krankenpflegeausbildung. Da brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn wir hinterher sozusagen immer wellenmäßig von einem Pflegenotstand in den nächsten schlittern. Zwischendurch ist es dann immer einmal wieder ein bisschen besser, aber es ist schon jetzt klar, dass wir auf einen neuen Pflegenotstand zusteuern.
Sie haben vorhin vom Mühlberg-Krankenhaus gesprochen. Einen großen Fortschritt haben wir in der Frage der geriatrischen Versorgung in den vier Sektoren der Stadt erzielt, und darum haben auch gerade wir vom Gesundheitsausschuss der Stadt Frankfurt uns sehr nachdrücklich gekümmert. Wir haben das jetzt in drei der vier Sektoren so weit hinbekommen, und mit der Verlängerung, die es jetzt für das Hufeland-Haus gibt, ist klar, dass wir auch dort unbedingt zu einer Lösung kommen müssen. Sie können sicher sein, dass der Gesundheitsausschuss da weiterhin Druck machen wird, damit mit einem anderen Krankenhaus dann tatsächlich eine vernünftige Vereinbarung getroffen werden kann. Es darf wirklich nicht sein, dass wir am Ende dieser Frist, die wir jetzt noch einmal gesetzt bekommen haben, im Sektor Ost ohne eine funktionsfähige Geriatrie dastehen, darum müssen wir alle uns kümmern.
Eine weitere Frage, die hier nur am Rande mit angeschnitten wurde, ...
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Herr Majer, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Stadtverordneter Stefan Majer,
GRÜNE:
(fortfahrend)
Ja, einen Satz nur noch.
Die Frage von Hospizen und von Einrichtungen in diesem Bereich ist nach wie vor eine völlig ungelöste. Wir stehen vor einer ganz schwierigen Situation. Eine der wenigen Einrichtungen, die es hier gibt, ist die Klinik für Palliativmedizin, die eine ganz wichtige Arbeit leistet. Wir müssen schauen, dass das Wenige, was es dort gibt, uns nicht auch noch wegbricht.
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Majer! Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Lilischkies.
Meine Damen und Herren, ich bin vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Unserem Verband gehören sowohl eine ganze Reihe ambulanter Dienste als auch Altenpflegeheime an. Ich will nicht gegen das Soforthilfeprogramm sprechen, denn ich bin froh, dass wir es im letzten Jahr und in diesem Jahr hatten, und hoffe auch darauf, dass es im nächsten Jahr fortgeführt wird, aber das ist nicht das, was unsere Dienste unbedingt benötigen, um zu überleben und die Versorgung in Frankfurt zu gewährleisten. Unsere Dienste brauchen strukturelle Hilfen. Ich will noch einmal auf das Thema Hauswirtschaft zurückkommen, das schon mehrmals angesprochen worden ist. Hauswirtschaft ist eine Art Prävention, denn ein ausreichend oder gut geführter Haushalt verringert den Bedarf an Pflege beziehungsweise schiebt die Pflegebedürftigkeit weiter nach hinten. Auch die Frage der Demenz kann damit ein Stückchen beantwortet oder behandelt werden. In einem gut geführten Haushalt kommt ein alter Mensch besser zurecht. Und hier fehlt es einfach an einer finanzierten Struktur, die dies auch in einer Stadt wie Frankfurt gewährleisten kann.
Es gibt Ansätze, die dies ermöglichen. Im privaten Bereich wird es versucht mit den so genannten illegalen Haushaltskräften. Es gibt Ansätze, wie man sie aus der Illegalität herausholen kann. Die so genannte Grey Card, so hat sich gezeigt, ist nicht der alleinige Lösungsweg. Die wenigsten, die der Hilfe bedürfen, benutzen diesen Weg. Es gibt aber Ansätze, zum Beispiel in Mainz, wo Familien vom Land Rheinland-Pfalz pro Monat bis zu 300 Euro zur Verfügung gestellt werden, um hauswirtschaftliche Hilfen zu subventionieren. Ich denke, das ist eher ein Weg.
Ich will ganz kurz auf einen weiteren Punkt eingehen. Bei unseren ambulanten Diensten stehen in den nächsten Monaten neue Verhandlungen mit den Pflegekassen an. Sie haben lange Zeit ihre Vergütungssätze nicht neu verhandelt, aus der Angst heraus, es komme sowieso nicht viel dabei heraus. Wir haben keine Unterstützung bei den Verhandlungen, und wenn, dann wird es eine Erhöhung des Pflegesatzes sein, die das, was an Aufwand notwendig ist, gar nicht abdeckt. Deswegen würde ich mir wünschen, dass auf Grund solcher Veranstaltungen wie der heutigen und der anderen beiden - das waren zwar keine Bürgerversammlungen, aber es waren Anhörungen, die die Soforthilfeprogramme initiiert hatten - hier etwas geschieht, das heißt, dass die Stadtverwaltung irgendeine Form der finanziellen Unterstützung findet und die Träger bei den Verhandlungen mit den Pflegekassen unterstützt. Es gibt zum Beispiel eine Diskrepanz in folgendem Bereich: Es werden etwa 50 D‑Mark für Pfleger bereitgestellt, aber nur 30 D-Mark - natürlich umgerechnet in Euro - für die Hauswirtschaft. Es wäre sinnvoll, bei den nächsten Verhandlungen mit den Pflegekassen die Hauswirtschaft entsprechend aufzuwerten.
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Lilischkies! Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Varnhagen.
Mein Name ist Varnhagen. Ich bin seit einigen Jahren Mitglied im Seniorenbeirat der Stadt Frankfurt. Aus dieser Tätigkeit ist mir ein Thema bekannt geworden, das heute Abend noch nicht angesprochen worden ist, dessen sich die Stadt Frankfurt aber annehmen sollte, auch wenn sie nicht direkte Adressatin ist; das sind mehr die Gesetzgeber von Land oder Bund, das weiß ich nicht so genau. Hier ist eben von einem meiner Vorredner das Wort „Unkultur“ genannt worden. Ich möchte ein anderes Beispiel für Unkultur nennen. Es geht um die Praxis der Bestallung von Betreuern, die, soweit ich weiß, durch die Gerichte erfolgt. Mir schwebt da ein Fall vor, in dem ein Anwalt Betreuer geworden ist. In dieser Berufskategorie ist es übrigens sehr beliebt, solche Betreuungsmandate zu übernehmen, insbesondere dann, wenn man sich vorher Informationen darüber geholt hat, dass ein genügend großes Vermögen oder Sparkonto der zu Betreuenden vorhanden ist. Offenbar ist es so, dass diese Betreuer, die die Bestallung als ein Recht ansehen - ich drücke mich ganz vorsichtig aus -, tüchtig in das Bankkonto der betreffenden Klienten hineingreifen.
Ich kenne einen Fall, da hat ein Betreuer vor etwa drei Jahren sein Amt angetreten. Er hat die zu betreuende Person nur im Altersheim von der Tür aus mit der Leiterin oder einer anderen Dame in verantwortlicher Funktion gesehen und ist ohne einen Handschlag nach etwa einer Minute wieder weggegangen. Seitdem hat er sich nie wieder sehen lassen, hat aber inzwischen das Konto um 33.000 D-Mark geplündert. Das Thema ist auch für die Stadt Frankfurt interessant, denn wenn das vorhandene Geld voll ausgeschöpft ist, wenn nichts mehr da ist, dann wird die Stadt Frankfurt für die weitere Betreuung im Rahmen dessen, was durch die Pflegeversicherung und so weiter ungedeckt ist, gerade stehen müssen. Ich meine, die Stadt Frankfurt sollte mit dem Gewicht einer Großstadt bei den betreffenden Gesetzgebern - wie gesagt, ich weiß nicht, wer dafür verantwortlich ist, ob Land oder Bund - Einfluss nehmen, um da etwas mehr Reglement und mehr Gerechtigkeit oder mehr Angemessenheit hineinzubringen.
Danke schön!
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Varnhagen! Die nächste und zurzeit letzte Wortmeldung liegt mir von Herrn Dr. Dähne von der PDS-Fraktion vor.
Stadtverordneter
Dr. Eberhard Dähne, PDS:
Ich bin Eberhard Dähne von der PDS-Fraktion. Zwei kurze Bemerkungen: Herr Majer hat ein wichtiges Problem angesprochen, und man kann das nicht oft genug betonen: Geld, Geld, Geld. Im Grunde gilt das auch für die Ausbildung im Beruf der Altenpflegerin und des Altenpflegers. Es ist eine sehr qualifizierte Ausbildung, und es werden körperliche Fähigkeiten und eine hohe Sozialkompetenz verlangt. Hinzu kommt ein ganz entscheidender Punkt: die Arbeit rund um die Uhr, auch an Sonn- und Feiertagen. Und dann müssen Sie sich einmal anschauen, was diese Leute verdienen; das spottet jeder Beschreibung. Wir müssen es in das Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen, dass diese Berufe, die ein so hohes Engagement erfordern, sehr schlecht bezahlt werden.
Der Grund für diesen Mangel ist eine riesige Fluktuation. Die Leute wechseln, gehen nach unterschiedlicher Zeit wieder, kommen zurück, das ist eine enorme Fluktuation bei hoher Belastung und außerordentlich schlechter Bezahlung. Das müssen wir uns klar machen und immer wieder auch in der Öffentlichkeit verbreiten. Wir müssen die Leute, die dort arbeiten, darin unterstützen, dass sie eine bessere Bezahlung bekommen.
Ich komme zu Punkt Nummer zwei. Das ist auch schon einmal angesprochen worden, und ich finde die Idee ganz gut. Es gibt einen Verein in Frankfurt, Seuse e.V., der die Idee des Gemeinschaftshauses für das so genannte dritte Lebensalter entwickelt hat. Das heißt, dass es in jedem Stadtteil eine Gemeinschaftswohnung, ein Gemeinschaftsquartier oder etwas Ähnliches gibt, wo Menschen unterschiedlichen Alters – es ist ja immer die Frage, wo das dritte Lebensalter beginnt - miteinander wohnen können. Ich finde, das ist eine unterstützenswerte Sache.
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Dr. Dähne! Jetzt hat sich Herr Berner noch einmal zu Wort gemeldet. Bitte, Herr Berner!
Ich möchte nur noch eine ganz kurze Anmerkung zum Statement von Herrn Varnhagen machen. Solche Geschichten von Betreuern höre ich auch ab und zu, und im Fernsehen werden sie im Moment auch ziemlich häufig gezeigt. Ich weiß nicht, wo das ist und wie das funktioniert. In unserem Verantwortungsbereich haben wir auch einen Betreuungsverein, von denen es in Franfurt mehrere gibt. Diese Betreuungsvereine erleben das gerade anders herum. Erstens einmal bekommt ein gesetzlicher Betreuer, der nicht Anwalt ist, eine Betreuervergütung von 60 D-Mark. Die Vergütung ist 1999 abgesenkt worden von 75 auf 60 D-Mark für eine Stunde. Ein qualifizierter Mitarbeiter kann davon absolut nicht leben. Wir können unsere qualifizierten Mitarbeiter mit diesem Geld überhaupt nicht kostendeckend bezahlen. Dann erleben wir das so, dass ein ganz großer Teil der Arbeit dieser Berufsbetreuer darin besteht, detaillierte Abrechnungen zu erstellen und an das Gericht zu geben. Die Rechtspfleger überprüfen diese Abrechnungen derart akribisch, das kann man sich nicht vorstellen.
Die Betreuer verbringen beispielsweise einen großen Teil ihrer Zeit damit, zu begründen, warum ein Telefonat zehn Minuten gedauert hat, während nach den Anmerkungen des Rechtspflegers ein Telefonat zu diesem Tatbestand statistisch gesehen nur sieben Minuten dauert, oder warum da ein Hausbesuch notwendig gewesen ist, wo es doch auch ein Brief getan hätte. Also, wir erleben das so, dass die Gerichte die Betreuer - und das ist gut so - sehr genau kontrollieren, dagegen spreche ich nicht. Dass natürlich so ein genaues Kontrollieren auch überzogen werden kann, dagegen habe ich schon etwas, weil es unsinnig ist. Dass ein Betreuer einfach ein Konto abräumen und richtig absahnen kann und dies bei Gericht nicht bekannt ist und nicht gestoppt werden kann, das kann ich mir nicht vorstellen, jedenfalls nicht nach unseren Erfahrungen.
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Berner! Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Brand.
Ich wohne schon seit längerer Zeit in einer Altenwohnanlage und betreue seit 1977 laufend verschiedene Personen, zurzeit noch eine. Ich denke, dass bei der Betreuung die persönliche Betreuung im Vordergrund stehen müsste. Das Finanzielle muss geregelt werden, und das ist ja gerade das, was Zeit braucht. Wenn natürlich ein Rechtsanwalt fünf oder zehn solcher Betreuungen übernimmt, dann ist natürlich die Kostenfrage nicht abgedeckt, wie Sie schon gesagt haben. Man hört halt immer wieder solche Horrorgeschichten. Ich glaube, es gibt ganz wenige oder zu wenig Leute, die bereit sind, solche Betreuungen zu übernehmen; das ist der eine Punkt.
Der andere Punkt ist der, dass man immer wieder ältere Menschen beobachtet, die noch allein in ihrer Wohnung leben. Man sieht, dass sie verwahrlosen, dass sie keine Kontakte mehr haben und einsam sind. Wenn man aber helfen möchte, wenn man sie besuchen oder in die Wohnung gehen und etwas tun möchte, dann lehnen sie jede Hilfe ab, das habe ich selbst bei einer Frau in meiner nächsten Nachbarschaft erlebt. Ich habe immer gesagt, wenn dieser Frau etwas passiert, dann merkt es keiner, weil sie niemanden an sich heranlässt. Was soll man da tun? Das ist das größere Problem.
Die Hilfen, die angeboten werden, sind sehr reichhaltig. Man kann an die Vermittlungsstellen verweisen, die in jedem Stadtteil vorhanden sind und die entsprechenden Hilfemöglichkeiten aufzeigen und Auskunft darüber geben, was der Einzelne tun kann. Solange es dem älteren Menschen gut geht, sagt er, ich brauche keine Hilfe, was soll ich mich jetzt schon um das Heim oder um dies und jenes kümmern, beispielsweise um Vollmachten und so weiter. Wenn es aber ernst wird, dann schreien diese Menschen entweder oder kapseln sich völlig ab und nehmen keine Hilfe mehr an. Da stehe ich wirklich manchmal hilflos da.
Die Haushaltshilfe ist das A und O, denn es gibt immer wieder Menschen, die sagen, ich brauche keine Pflege, ich bräuchte jemanden, der für mich sauber macht, die Fenster putzt, die Vorhänge abnimmt, die Küche aufräumt und so weiter. Das kostet dann für den Einzelnen zu viel, und die Pflegekasse ist dafür nicht da. Das ist das Traurige.
Habe ich noch Zeit? Ich wollte noch auf eines hinweisen. Ich habe vor ein oder zwei Jahren eine Tagung über Demenzkranke besucht, und ich erinnere mich, dass dort das Schweizer Modell vorgestellt wurde. Man hat dort in einem Heim fünf oder sechs Demenzkranke in einer Wohnung zusammengeführt und sie unter Anleitung selbst kochen, putzen, den Tisch decken und spülen lassen, also nicht mit Hilfe einer Spülmaschine, sondern von Hand. Es hat sich gezeigt, dass die Leute insgesamt nicht mehr so aggressiv und so lebhaft waren und nicht mehr davongelaufen sind. Irgendwie hat mich das sehr stark beeindruckt. Wie man das auch hier in die Praxis umsetzen kann, darüber müssen sich Fachleute Gedanken machen, ich weiß es nicht.
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Vielen Dank, Frau Brand! Die nächste Wortmeldung kommt von Frau Dr. Christiane Kaiser, Fachärztin für Psychiatrie am Stadtgesundheitsamt.
Bezugnehmend auf die Beiträge, die wir vorhin schon gehört haben, von Herrn Berner, auch von Frau Busch und Beiträgen zu Beginn, ist es mir einfach noch einmal ein Bedürfnis, auf den grundsätzlichen gesetzlichen Rahmen, in dem wir uns alle bewegen, die Pflegenden und die Verordnenden und natürlich auch die Angehörigen, hinzuweisen. Es ist durchaus nicht möglich und sollte auch nicht geschehen, derart dämonisierende Bilder von mit Psychopharmaka voll gepumpten, ruhig gestellten, willkürlicher Verfrachtung - sage ich jetzt einmal - ausgesetzten Patienten, alten Menschen und psychisch Kranken zu zeichnen. Das Ganze bewegt sich im Rahmen des hier auch schon häufiger angesprochenen Betreuungsrechtes. Auch die Verabreichung von Psychopharmaka, die letztendlich ruhig stellen oder einer Fixierung gleichkommen in der Wirkung, bedarf der richterlichen Anordnung und zuvor der gutachterlichen psychiatrischen Feststellung. Auch Zwangsunterbringungen, die Frage ob ein Betreuer das Aufenthaltstimmungsrecht erhält, bedarf einer sehr sorgfältigen richterlichen Feststellung. Da heute scheinbar kein Vertreter des Amtsgerichts Frankfurts anwesend ist, kann ich nur aus meiner Erfahrung mit Frankfurter psychiatrischen und gerontopsychiatrischen Patienten am Stadtgesundheitsamt, aber auch schon vorher in der Klinik sagen, dass genau diese Bestimmungen hier in Frankfurt am Main eine besondere Beachtung finden, unter besonderer Berücksichtigung der Bedürfnisse und Wünsche des Betroffenen.
Sollte irgendjemand Zweifel an dem ehrenhaften Handeln eines Betreuers oder der Handhabung der Dinge in einem Heim haben, so ist es ihm unbenommen und so wäre er dann auch gehalten, unter Nennung seiner erworbenen Kenntnisse, diese dem Gericht kenntlich zu machen und gegebenenfalls zu überprüfen, ob dieser Betreuer seine Aufgabe zur Zufriedenheit und verantwortungsvoll erfüllt.
Ich selbst hatte es in meiner Berufszeit bislang erst ein einziges Mal, dass wir bei Gericht erfolgreich die Absetzung eines Betreuers beantragten. Also, grundsätzlich ist das möglich. Ich möchte das einfach nur noch einmal zur Versachlichung der Diskussion und zum Entdämonisieren der im Bereich der Gerontopsychiatrie nicht nur Pflegenden, sondern Behandelnden und Verordnenden hier beitragen.
Danke sehr!
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Frau Dr. Kaiser! Jetzt gibt es noch eine Wortmeldung von Frau Glinski-Krause.
Ich wollte noch einmal etwas zu Frau Brand sagen. Ich denke, dass im Bereich dieser Soforthilfe, dass gerade hier in Frankfurt in verschiedenen Einrichtungen, Altenpflegeheime im Sofortprogramm, diese Tätigkeiten wieder angerührt werden, dass wieder sehr dezidiert auf biographische Arbeiten zurückgegriffen wird bei demenzerkrankten Pflegebedürftigen, sowohl Frauen als auch Männern, dass dann zum Beispiel so jemand wieder Gedichte rezitiert oder dass grundsätzlich in bestimmten Bereichen beim Frühstück oder beim Abendessen auch der Tisch gemeinsam gedeckt wird, dass man auch zusammen spült und je nach dem, wie die Menschen dazu gestimmt sind, können sie das auch selbstbestimmt machen, sofern sie dazu in der Lage sind. Aber ich denke, da haben sich einfach auch Bedingungen gebildet, dass sie auch wieder gruppenfähig geworden sind, dass sie angefangen haben zu sprechen. Allein solche Ergebnisse sind schon eine sehr schöne Sache innerhalb einer Institution wie einem Altenpflegeheim.
Ich wollte noch etwas zu Herrn Dr. Dähne von der PDS bezüglich des Problems, was Imagekampagnen in der Altenpflege angeht, sagen. Ich denke, wenn die Medien auf die Altenpflege zugehen und letzten Endes auch den Pflegenotstand propagieren, dann kommt das auch in der Öffentlichkeit an. Das ist auch ein Bild, das über die Medien vermittelt wird. Ich weiß auch nicht, welche Lösungen man bekommen soll. Aber ich denke, in dem Moment, wo man eine Kampagne macht und sagt, eigentlich ist das, was wir bieten, etwas Gutes, setzt es voraus, dass das, was da gut ist, auch tatsächlich qualitativ verändert wird. Von daher müssen wir von beiden Seiten aus kommen, und ich denke, da sind die Stadt Frankfurt oder auch alle, die in der Altenpflege im Bereich der stationären Altenpflege, für die kann ich hauptsächlich sprechen, darum bemüht, dass sich die Strukturen einfach verbessern. Wenn man nicht intern schaut, wo man tatsächlich für die Mitarbeiter Strukturen schaffen kann, dass sie sich zufriedener fühlen, dass sie sich ernst genommen fühlen, dass sie innerhalb der Hierarchie auch die Bewertung und die Selbstwertgefühle als Mitarbeiter entwickeln können, dass sie hier auch dem Pflegebedürftigen an der Basis wirklich beistehen können. Da ist noch sehr viel Arbeit erforderlich, einfach weil diese Pflegeberufe etwas sind, was gesamtgesellschaftlich und auch innerhalb der Struktur noch zu wenig gefördert wird. Daran muss gearbeitet werden, sowohl intern aus auch öffentlich.
(Zurufe)
Bitte?
(Zurufe)
Das ist nicht in Abrede gestellt. Ich mache jetzt noch einmal Werbung für den Spiegel. In dieser Woche gibt es gerade einen Artikel darüber, in dem das auch gefordert wird.
(Zurufe)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Frau Glinski-Krause! Die nächste Wortmeldung kommt von Frau von Keutz. Frau von Keutz, Sie wollten eine Frage an den Stadtrat stellen.
Zuvor wollte ich gern noch Bezug nehmen auf das, was Sie gesagt haben als Ärztin. Ich kann das aus meinem individuellen Erleben mit meiner Mutter, die sehr schwer demenzkrank war, überhaupt nicht bestätigen. Ganz einfach deswegen, weil die Bedingungen in den herkömmlichen Alten- und Pflegeheimen oft gar keine andere Wahl lassen bei schwer Demenzerkrankten, als sie mit Psychopharmaka ruhig zu stellen.
Damit komme ich zum nächsten Punkt: Ich bin auch der Meinung, dass bestimmte Veränderungen kein Geld kosten, sondern einfach die Bereitschaft zur Veränderung voraussetzen. Da muss ich ehrlich sagen, bin ich sehr skeptisch und wüsste gerne, wie das zu bewerkstelligen ist. Sie haben auch davon gesprochen, Herr Frey. Ich sehe von den Wohlfahrtsverbänden, in deren Händen dieser Bereich überwiegend ist, überhaupt gar keine Signale, dass sie bereit sind, diese Anstalts- und Heimstrukturen zu verändern und wirklich neue Lebens- und Wohnformen für alte, hilfsbedürftige, pflegebedürftige Menschen zu schaffen. Ich frage mich, wie man das politisch bewerkstelligen kann. Ich denke, das sind so eingefahrene Systeme über 100 Jahre, dass die von sich aus, das ist nun einmal so, dass große eingefahrenen Systeme von sich aus nicht das Bedürfnis nach Veränderung haben. Wie kann man die dazu kriegen, wie kann man sie motivieren, dass sie diese Schritte machen?
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Frau von Keutz! Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Hübner, von den Freien Wählern, BFF-Fraktion.
Stadtverordneter
Wolfgang Hübner, BFF:
Ich glaube eine Gesellschaft, die sich irgendwann entschieden hat, oder sich immer noch täglich entscheidet, dass ein Devisenbänker und ein Model ungleich höher bezahlt werden als eine Pflegekraft oder eine Kindergärtnerin, dies spricht schon ein bestimmtes Urteil über ihre Wertigkeiten. Wir werden immer im Kreise herum diskutieren, wenn wir das akzeptieren. Aber solange das akzeptiert wird, wird es auch so bleiben. Es ist natürlich ein unmöglicher Zustand, der dort herrscht, aber im Grunde genommen ist das alles schon lange bekannt, und es ist auch der Politik bekannt, es ist der Bundespolitik bekannt, es ist der Landespolitik bekannt, es ist der kommunalen Politik bekannt, es ändert sich deswegen aber noch lange nichts. Das nur vorausgeschickt.
Als ich die Beiträge der persönlich oder beruflich Betroffenen gehört habe, war ich sehr beeindruckt. Aber bei den Beiträgen der Politiker oder der Fachleute, da ist mir irgendwie angst und bange geworden. Da kommt doch dann heraus, dass sozusagen der alte Mensch, der jetzt zum Beispiel zum Pflegefall oder hilfsbedürftig wird, zum Spielball von vielen Interessen und vielen Institutionen wird. Da ist die Pflegekasse, da ist die Krankenkasse, da sind die Wohlfahrtsverbände, da ist das Sozialamt, und da sind die privaten ambulanten Dienste. Alle die streiten sich doch um Gelder, die in den Kuchen hineingegeben werden. Das interessiert aber den, der wirklich betroffen ist, natürlich überhaupt nicht. Tatsche ist, wenn ich hier zuhöre, dass ich überhaupt keine Linie sehe. Ich kann jetzt auch keine Linie vorgeben, aber eines scheint mir ganz wichtig: Wo wird denn der alte Mensch krank, und wo wird er hilflos? Er wird es nicht irgendwo, sondern er wird es an einem bestimmten Ort, nämlich an dem Ort, an dem er lebt, wo er sein Leben verbracht hat. In dem Fall ist es Frankfurt. Ich glaube, dass all die Reformen, die laufen müssen - dazu will ich gleich noch etwas sagen -, dass die im Grunde genommen auf den kommunalen Bereich konzentriert werden müssen. Hier ist der Ort, wo man unmittelbar beieinander ist, derjenige, der Hilfe braucht und diejenigen die Hilfe geben können. Es scheint mir sehr wichtig, dass man einen Ort bestimmt, an dem diese Hilfe konzentriert wird, und das ist der kommunale Bereich. Da muss jetzt Herr Frey gar nicht erschrecken, ich meine jetzt nicht einen Aufwand an viel mehr Sozialbürokratie, davon gibt es sowieso schon genug, sondern man sollte einfach den Ort bestimmen, an dem das Ganze konzentriert ist.
Ein Drittes und Abschließendes: Ich glaube, dass das jetzige System der Altenversorgung, ob nun ambulant oder stationär, im Grunde genommen noch aus einer Zeit stammt, die ganz anders strukturiert war, und dass die Pflegeversicherung zwar ein erster Ansatz war auf die neue Zeit, nämlich auf die Überalterung der Gesellschaft oder eine starke Alterung und Auflösung von familiären Strukturen zu antworten, dass es aber bei weitem nicht genug ist. Man sieht auch, in welches Dilemma jetzt die Pflegeversicherung hineinwandert, dieses ist scheinbar unabwendbar. Wenn das die Situation ist, muss wahrscheinlich eine Revolution in dieser Frage passieren oder es passiert eben keine Revolution in dieser Frage, und dann wird es eine Implosion geben, gerade im Bereich der Alten. Ich bin ganz sicher, wenn wir das Problem nicht in aller Ernsthaftigkeit angehen, wird es irgendwann wieder in irgendeiner Form eine Euthanasie-Diskussion geben. Da bin ich ganz sicher.
Danke schön!
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Herr Hübner, ich muss sagen, es tut mir eigentlich Leid, dass ich das jetzt feststellen muss: Ihre letzte Bemerkung ist unangebracht und Ihr Beitrag fällt heute Abend eigentlich etwas aus dem Rahmen. Es tut mir Leid, dass dies ein Kommunalpolitiker heute Abend leistet.
(Zurufe)
Entschuldigung, es hat heute Abend keiner in diesem Ton hier gesprochen. Es war bisher eine außerordentlich sachliche Debatte. Es war nicht notwendig, dass Sie in dieser Art hier Ihren Beitrag abgeliefert haben.
Die nächste Wortmeldung kommt von Herrn Wintzer, vom Evangelischen Verein für Innere Mission.
Vielen Dank, Herr Vorsteher! Es ist viel Richtiges, wie es immer so ist, gesagt worden. Es ist auch etwas gesagt worden, was gewiss ergänzungsbedürftig ist. Ich denke, ich erinnere mich richtig, Frau von Keutz, Sie waren auch auf Veranstaltungen der Inneren Mission als wir 150 Jahre alt wurden. Sie haben dort auch einen Beitrag geleistet.
Ich meine, wir dürfen doch darauf hinweisen, dass es gerade die Arbeit der freien Wohlfahrtspflege immer gewesen ist, sich neue Konzepte auszudenken, sich mit neuen Leistungen gegenüber den Hilfebedürftigen selbst fortzuentwickeln. Ich wüsste nicht, dass das, was wir entwickelt haben, von privaten Trägern entwickelt worden wäre oder von anderen. Ich glaube, das sollte man einmal richtig stellen. Innovationen kamen fast immer aus dem Bereich der Wohlfahrtspflege, und so verstehen wir unsere Arbeit. Ich kann aber auch verstehen, Frau von Keutz, dass Sie zum Beispiel nicht über jedes Detail informiert sind, was hier in der Stadt beraten wird. Wir haben hier ein sehr gut funktionierendes System von Gremien, Fachleuten, die sich austauschen, auch mit verschiedenen Institutionen, sodass ich meine, wir sind eigentlich auf einem guten Weg. Es braucht nur alles seine Zeit, weil unsere Arbeit sehr, sehr bestimmt ist - das wurde hier auch schon mehrfach gesagt - von Rahmenbedingungen, die manchmal sehr bedrückend und erdrückend sind. Das heißt also, wir müssen uns um so viel Zustimmung gleichermaßen kümmern, dass manches in dem Weiterbewegen sehr schwer fällt. Herr Dr. Püllen hat auch gesagt, im Bereich des Zusammenwachsens von Geriatrie, Altenhilfe et cetera sind wir ein ganzes Stück weiter. Da läuft sehr viel, und ich glaube, wir müssen vielleicht noch einmal versuchen, das auch in der Öffentlichkeit darzustellen. Ich meine, wir sind heute keine Anstalten mehr, wir sind Pflegeeinrichtungen, in denen ein Kommen und Gehen möglich ist, offene Türen sind. Zumindest eines unserer Häuser hat keine Hausordnung. Das machen wir bewusst, weil es nicht mehr erforderlich ist. Ich denke, das darf man einmal sagen, damit die Stimmung nicht so sehr bedrückt ist.
Vielen Dank!
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Wintzer! Ich habe jetzt keine weiteren Wortmeldungen mehr und gebe Herrn Stadtrat Frey zu einem abschließenden Beitrag das Wort.
Vielen Dank! Meine Damen und Herren, ich will jetzt nicht zu allen Beiträgen noch einmal Stellung nehmen, kann Ihnen aber sagen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugend- und Sozialamtes das, was heute an Anregungen, an Beiträgen kam, aufgenommen haben. Ein Hinweis: Die Heimaufsicht liegt nicht bei der Stadt Frankfurt, sondern liegt bei dem Landesamt für Versorgung. Es hilft nicht so sehr viel, pauschal zu sagen, wir müssen mit denen reden. Für alle konkreten Punkte, wo es irgendwo Missstände gibt, sind wir offen und werden so etwas dann auch im Dialog weiter verfolgen, entsprechend vorstellig werden, wenn man das an konkreten Punkten festmachen kann.
Ich frage jetzt, was ist mit der Schwerfälligkeit? Das hat Herr Wintzer eben schon versucht zu beantworten, die Schwerfälligkeit der Verkrustung von großen Trägern. Das gibt es, das ist auch bei Verwaltungen so, dass es Einheiten gibt, die schwerfälliger sind. Das ist ganz normal. Ein Bus kommt nicht so leicht um die Kurve wie ein kleiner VW-Käfer, aber es gibt eine Vielfalt von Trägern. Ich habe vorhin erwähnt, dass wir bei den ambulanten Hilfen 130 kleinere private Träger haben, die wir fördern, die auf diesem Felde tätig sind. Innovation gibt es bei den Kleinen aber auch bei den Großen. Ich glaube, mit einer pauschalen Zuordnung kann man das nicht bewerten. Das Thema Pflegeversicherung, da sind sicher auch aus meiner Sicht im Bereich von Bürokratie, die sich dort aufgebaut hat und wie manches praktiziert wird, Möglichkeiten, Gelder anders zu verwenden. Das ist sicher ein Teil, an dem man noch etwas bewegen kann und wofür man werben und kämpfen muss.
Herr Majer hat es vorhin angesprochen, man kommt an einem Punkt nicht vorbei, dass man im Endeffekt natürlich bei einer besseren Qualität immer auch über Geld redet. Man kann das so sagen, dass die Models und die Fußballspieler und wer auch immer, alle zu teuer sind, und dass das etwas ausdrückt über den Zustand unserer Gesellschaft. Aber man muss irgendwann auch die Frage beantworten, wie dieses Geld aufgebracht werden soll. Da gibt es aus meiner Sicht zwei Hebel. Der eine ist der Beitragssatz in der Pflegeversicherung, und der andere ist eine Steuerfinanzierung von solchen Aufgaben. Davor kann man sich dann am Ende nicht drücken, und ich bin der Meinung, dass man aus Steuergeldern für dieses Feld mehr aufwenden muss. Wenn man, Herr Berner hat das glaube ich gesagt, jetzt Befragungen macht, wer eigentlich bereit ist in einer bestimmten Generation heute schon zu sagen, ich bin einmal bereit zu pflegen, dann kann man einfach daran ablesen, dass man da zum einen Vorsorge treffen muss und zum anderen auch bereit sein muss, das finanziell zu tragen. Daran führt kein Weg vorbei. Man kann nicht auf der einen Seite beklagen, dass die Zustände misslich und an manchen Stellen nicht menschenwürdig sind, dann muss man auch bereit sein, sie zu ändern und sie dann auch entsprechend finanzieren. Vor dieser Frage kann man sich dann am Ende nicht drücken.
Wir haben in Frankfurt, ich habe das vorhin mit Freude vernommen, dass wir da einen Konsens haben, auch in einer finanziell schwierigen Zeit, das beizubehalten, was wir tun. Frau Schmidt und andere haben die belastende Situation angesprochen, von Angehörigen, die Leute, pflegen. Ich kann das nicht aus eigener Anschauung schildern, aber es sind viel mehr Leute die wissen, wie belastend das ist. Bei uns war das meine Frau, die über lange Jahre ihre Eltern gepflegt hat. Das ist eine sehr schwierige Situation.
Es gibt ein Feld, das ist mehrfach angesprochen worden. Im Bereich von Haushaltshilfen wird versucht, Wege zu finden, wie man das günstiger und entlastender gestalten kann. Da ist aber die Diskussion noch nicht am Ende, aber es wird auf diesem Wege etwas geben müssen. Aber auch dafür muss irgendwoher die Finanzierung kommen. Wir werden als Stadt weiterhin einiges tun können, um ehrenamtliche Netze zu stärken, um den Leuten, die auf diesem Felde tätig sind, gewissermaßen einen Hintergrund zu liefern. Das ist aber nur ein kleiner Teil dessen, was dabei notwendig ist. Es ist gefordert worden und ist in Vorbereitung, eine Altenhilfeplanung für die Stadt Frankfurt voranzubringen. In diesem Prozess wird für viele Ideen, die heute Abend hier angesprochen wurden, Raum sein. Ich glaube, dass wir auf diesem Weg auch alle, die auf diesem Felde aktiv sind, mit einbeziehen und mit ihren Ideen dabeihaben werden.
Wenn wir über diese Thema reden, bin ich sehr froh, dass wir in der Stadt Frankfurt einen Konsens haben, dass das, was wir machen, was das Problem nicht löst, ich weiß nicht mehr wer das gesagt hat, dass das eigentlich teilweise nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Etwas mehr ist es schon. Aber es ist auch gleichzeitig ein Stachel in eine andere Richtung. Einfach dass wir zeigen, was eigentlich in bestimmten Bereichen notwendig wäre, wie man mit vergleichsweise geringen Mitteln einiges schon erreichen kann mit diesen beiden Sofortprogrammen. Wir werden das fortführen, und ich bin sehr froh, dass wir darüber einen breiten Konsens haben. Wer sich die Finanzlage der Stadt Frankfurt vor Augen führt weiß, so pleite wie jetzt waren wir noch nie. Das ist eine sehr schwierige Situation. In der Situation ist es gut zu wissen, dass es gerade in einer solchen Frage einen Konsens gibt, dass wir die Leistungen, die wir erbringen, aufrecht erhalten und dass wir auch den Standard, den wir haben - es ist angesprochen worden, dass wir eine gute Struktur haben, auch in der Stadtteilorientierung, die ist nicht ganz selbstverständlich. Sie ist auch nicht überall in der Republik so vorhanden, dass wir das aufrecht erhalten und in einem gewissen Umfang auch ausbauen und neue Entwicklungen, die notwendig sind in den Standards in den Heimen aber auch in den Größenordnungen und in dem Ausprobieren von neuen Modellen, dass wir das auch weiter vorantreiben. Wenn wir da einen Konsens haben innerhalb des Stadtparlamentes, bin ich zumindest zuversichtlich, dass wir von unserer Seite, von der kommunalen Seite der Stadt Frankfurt am Main, im Bereich der Altenhilfe das tun können, was unseren Möglichkeiten entspricht, aber gleichzeitig auch gemeinsam, weil wir näher dran sind als andere auf politischer Ebene. Sowohl was das Land angeht, sowohl was den Bund angeht, werden wir deutlich machen, dass es auf diesem Feld dringend noch weiterer Verbesserungen bedarf.
Vielen Dank!
(Beifall)
Stadtverordnetenvorsteher
Karlheinz Bührmann:
Danke schön, Herr Frey! Meine Damen und Herren, heute Abend ist mit einer großen Ernsthaftigkeit über dieses Thema diskutiert worden. Es sind eine ganze Reihe von Anregungen gemacht worden, die nachbearbeitet werden müssen, und ich denke, es sind alle gefragt. Nicht nur die Politik, sondern auch die, die Vorort helfen, sind gefragt, damit diese Aufgabe, die unsere Gesellschaft hat, letztendlich gut gelöst wird. Es wird immer Möglichkeiten geben, dass man sagt, das muss besser sein, aber wir wollen anstreben, dass es zu einer guten Lösung kommt.
Bevor ich diese Veranstaltung schließe, ich habe heute Abend von so vielen gehört, dass sie selbst tätig sind, erlaube ich mir ganz einfach, „Danke schön“ für diese Arbeit zu sagen, auch im Namen des Stadtparlaments und bitte, in dieser Arbeit fortzufahren. Nur gemeinsam, die Politik ist nicht alleine in der Lage, wir brauchen Ihre Mithilfe. Ich hoffe, darum bitten zu dürfen.
Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Abend, einen guten Nachhauseweg und schließe die Veranstaltung.
Ende der Versammlung: 20.25 Uhr